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Unser 1. Monat

Heute ist ein Regentag. Sogar einer der Abkühlung bringt. Zeit für einen kleines Resumé mit einer Tasse Tee und den Blick in den nassen Garten gerichtet. Schoko-Muffins sind gebacken, die Männer lümmeln auf dem Sofa und schauen Madagaskar auf Englisch. Noch nicht einmal Harry will vor die Tür.

 

Lange schon hatten wir auf diesen Monat gewartet, hatten Respekt vor diesem Monat des Aufbruchs, der Ausreise und des Ankommens. Die erste Augusthälfte war geprägt von zahlreichen Abschieden, vom Ausmisten und Zusammenpacken. MIt der zweiten August-Hälfte begann für uns drei die Eingewöhnung in unser Leben in der Mega-City Shanghai.

 

Da der Gatzinger schon seit Pfingsten im Land lebt, ist es für ihn eher ein Zurückkommen nach Shanghai, nur dass er jetzt die Familie mit an Bord hat und nach Feierabend nicht mehr nur der Hund auf ihn wartet. Das freut den Gatzinger sehr, das tut ihm gut und er ist erleichtert, dass wir alle zusammen hier sind und das Land gemeinsam erleben.

 

Der Junior hatte den Einstieg in die Schule als erste Aufgabe, was im Grunde für ihn einen doppelten Neuanfang bedeutet: Eine neue Schule in einem fremden Land, wenn auch in deutscher Sprache, und der Beginn der Sekundarstufe I. Vorbei ist die behütete Grundschulzeit. Nun braucht es verstärkt Selbstorganisation und Eigeninitiative. Vor dem Schulstart gab es einen Tag der offenen Tür, wo die Neuankömmlinge die Schule und ihren Klassenlehrer kennenlernen konnten. Das neue Schuljahr wurde mit einem traditionellen chinesischen Drachentanz begrüßt, was Glück bringen soll. Insgesamt ist die Schule sehr gut angelaufen und er fühlt sich sichtlich wohl. Bisher ist er die 2 km immer mit dem Radl gefahren. Morgens fahre ich meist noch hinter ihm her und am Nachmittag kommt er alleine wieder und das klappt super. Sollte es dann mal regnen, gibt es immer noch den Schulbus. 

Einen kurzen Einbruch gab es nach der ersten Englisch-Stunde, da er feststellen musste, dass die Schüler, die schon länger im Land sind, in Englisch viel weiter sind als er. Da kam er ganz frustiert aus der Schule heim und meinte, er würde rein gar nichts verstehen. Die zweite Stunde war schon besser und er war froh, als er gemerkt hat, dass es den anderen neu eingereisten Kindern ähnlich geht wie ihm. Die neuen Kinder werden zu Beginn immer besonders gefördert und holen in der Regel schnell auf. Ich bin froh, dass das kleine Tief überwunden ist. Nun ist er hoch motiviert und lernt Vokabeln; der Ehrgeiz ist entfacht. Ebenso freut er sich auf seine 4-stündige Chinesisch-AG und er hofft darauf, dass er in der U11 Fussballmannschaft der Schule mitmachen kann. Das wird sich nächste Woche heraus stellen.

 

Und was stand für mich auf dem Programm? Da wäre erst einmal die Frage des Einkaufens, des "Wo bekomme ich was?" und des "Was ist das da überhaupt?". Ich habe neue Menschen an der Schule getroffen, habe einige Frauen der Kollegen meines Mannes kennengelernt und andere, die ich schon zuvor in München getroffen hatte, wieder gesehen. Eine davon ist meine neue schräg-gegenüber-Nachbarin und das ist besonders schön! Da sie schon einen Monat länger hier ist, konnte sie mir einiges zeigen und mich hier und da hin mitnehmen. Insgesamt wird es mir leicht gemacht, Kontakte zu knüpfen, da alle sehr offen und hilfsbereit sind. 

Mobil bin ich durch das Radl, den Elektro-Roller, an den ich mich erst gewöhnen musste, die Autos mit Fahrer einiger anderer Familien, den Taxi-Dienst Didi und die Metro. 

Damit ich mich etwas unkomplizierter im Alltag verständigen kann, haben wir uns privat Chinesisch-Unterricht organisiert. 2x2 Stunden die Woche zu dritt bei Frau Nachbarin in der Küche mit unserer Chinesisch-Lehrerin. Sie hat lange in Deutschland gelebt und dort an der Volkshochschule Chinesisch unterrichtet. Ich bin gespannt, wie das Projekt voran geht und ob ich mir diese so andersartige Sprache erschließen kann. Der Junior findet es auf jeden Fall toll, dass auch ich nun Hausaufgaben machen muss. 

Prima finde ich, dass wir als Familie das Schwimmbad der Schule gegen einen gewissen Obolus an 2 Wochentagen nutzen können. Wir waren schon zwei Mal dort und zu meiner Überraschung war nur wenig los. Es ist fortan also mein Ziel, mindestens einmal in der Woche 1000m zu schwimmen. 

Nun fehlt mir noch der Yoga-Unterricht, aber da gibt es einige Angebote in der Nähe und ich werde mich ab kommender Woche einfach mal durchprobieren. Die restliche Zeit mag ich für mich haben, mag die Stadt entdecken, kennenlernen und durchstreifen, einfach irgendwo aus der Metro steigen, mich durch die Gassen und Viertel treiben lassen und an anderer Stelle wieder in die Metro abtauchen.

 

Ich bin gespannt, wie es weiter geht, wie wir uns einleben und wann der Moment kommt, wo ich ein Gefühl der Normalität empfinde, des Alltags, der Ruhe. Ich bin dankbar, dass die ersten Tage so positiv und gut verlaufen sind, dass wir uns alle wohl fühlen und keiner die Entscheidung für dieses kleine Abenteuer bereut. Es macht Spaß aus dem bisherigen Alltag auszusteigen und einen neuen Alltag für uns zu finden und zu entwickeln. Das erfrischt das Denken, das Sehen, die Ansichten und rüttelt auf und das ist gut, wenn auch manches Mal anstrengend. Ich freu mich drauf!

 

Liebe Grüße & bis bald,

Die Gatzingerin