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Der kleine Garten

Als mein Mann mit dem Gedanken, oder besser mit der Anfrage nach Hause kam, ob wir nicht vielleicht für 3 Jahre in Shanghai leben wollen, da hatte ich sogleich Bilder von weniger schönen Hochhäusern im Kopf, die mir als Landei kaum Auslauf bieten würden. Ich sah mich schon wie ein Tiger im Käfig mit einem sehnsüchtigen Blick durch's Fenster unruhig auf und ab gehen. Kurze Panik. Nach einiger Recherche im www war ich allerdings ein klein wenig positiver gestimmt, da es anscheinend auch großzügigere Compounds mit Auslauf und viel Grün zu geben schien.

Und in einem solchen Compound wohnen wir jetzt seit Mitte August. Wege und Strassen im Compound sind verschlungen, zugewachsen und grün und über allem liegt Vogelgezwitscher und das lauteste Grillenzirpen, das ich jemals gehört habe. Wir hatten viel Glück bei der Suche nach unserem Zuhause auf Zeit und sind in einem Haus gelandet, was sowohl innen als auch außen ganz wunderbar zu uns passt. Innen gibt es viel Holz, keine überflüssigen Räume, einen großen, gemütlichen Hund, viele schöne Möbel und das Ganze eben im Gatzinger-Stil. Es sieht nie zu aufgeräumt und ordentlich aus; wirkt nirgends leer und unbewohnt.

 

Besonders ist aber auch der Garten, der zum Haus gehört. Unsere chinesischen Vermieter haben nicht nur diese weit verbreiteten, pflegeleichten Zierpflanzen angepflanzt, wie es in den meisten Expat-Gärten der Fall ist, sondern auch einige Nutzpflanzen. So gibt es zu meiner Freude große Bananenstauden, die schon 2 Fruchtstände haben. Es sind Kochbananen, aber meistens soll der Winter leider zu früh kommen und so wird das wohl eher nichts mit der Ernte. Dann gibt es einen großen Kaki-Baum, der in diesem Jahr voller Früchte hängt, die Ende Oktober/November erntereif sein sollen. Das wird ein Festschmaus! Hat vielleicht schon mal jemand was von Kaki-Marmelade gehört? Weiterhin ist da noch ein kleines Mandarinen-Bäumchen mit wenigen Früchten und ein recht frisch gepflanzter Loquat-Baum, der in Spanien Nispero genannt wird und dessen gelbe Früchte superlecker sind. Dazu kommen 2 Gemüsebeete, wo momentan Auberginen und kleine, leicht scharfe Paprikas wachsen, viel mehr als ich überhaupt verbrauchen kann.. Und meiner Gärtnernatur folgend habe ich wagemutig noch Bohnen, bunten Mangold, Rucola, Radieserl und Salat ausgesät, in der Hoffnung, dass der Winter wirklich erst im Dezember zuschlägt und ich bis dahin noch eine kleine Ernte einfahren kann. Mal sehen was Wetter und Boden so hergeben und welche Schnecken und Käferchen noch auftauchen, um mir mein Gemüse streitig zu machen.

 

Die Gemüsebeete sind eingezäunt, da Hund Harry ansonsten überall quer durch laufen würde. Als ich mich an einem schönen Vormittag daran gemacht hatte, den Zaun zu richten und stabilere Bambus-Steckerl als Stützen in den Boden zu rammen, kam der zum Haus gehörende Gärtner durch unser Gartentor. Ja richtig, die Gärtnerin hat einen Gärtner. Normalerweise mäht er den Rasen, wässert bei Trockenheit (was bisher nicht vorkam), nimmt den Gartenschnitt mit und macht so dies und das. Es kam auch schon vor, dass er mit seinem Rasentrimmer die in einer Ecke wachsende Minze so gut wie zu Tode getrimmt hat. Ich bin ganz ruhig geblieben. Ein stets freundlicher, älterer, kleiner Chinese mit Hut, der immer ein zurückhaltendes Lächeln auf den Lippen hat, mir alle geernteten Paprikas und Auberginen in die Hand drückt und mich kopfschüttelnd böse anschaut, wenn ich ihm einige davon mitgeben will. Keine Chance. Und als er nun auch noch sehen musste, wie ich da am Zaun am werkeln war, missfiel ihm das sichtlich. Aber ich konnte ihm noch nicht wirklich verständlich machen, dass ich das gerne mache, dass die Gatzingerin das ab und zu einfach tun muss und er nicht das Gefühl zu haben braucht, dass er zu wenig macht. Aus seiner Sicht sollte ich besser einfach nichts tun, glaube ich?! Nicht ganz mein Ding. Aber es bleibt sicherlich genug zu tun für uns beide?!

Da fällt mir gerade wieder der Gärnter in Ghana ein, den ich einmal so angeschrien habe, weil er alle Pflanzen an der Mauer und am Haus komplett gestutzt und aus meiner Sicht verunstaltet hatte. Der kam jedenfalls nicht mehr wieder und in meinem damaligen interkulturellen Training wurde mir zuvor sicherlich gesagt, dass das nicht der richtige Weg sei... nun denn.

 

Dass Seerosen auch im Topf wachsen und sogar blühen, wusste ich bisher auch nicht. Aber vor meiner Terasse stehen 3 große, mit Wasser gefüllte Blumentöpfe und mittlerweile ist schon die dritte Seerosen-Blüte aufgetaucht. Dann sind da Hortensien und Funkien in den schattigeren Ecken und hinter dem Haus zur Strasse hin ein ganzer, wunderbarer Bambuswald. Mitten auf der relativ großen Rasenfläche steht nun unser Federballnetz und wenn es nicht gerade frisch geregnet hat, wird das auch fleißig genutzt. Die Stunden nach dem Regen ist der Rasen allerdings besser nicht zu betreten, da der schwere Boden dann ächzt und regelrecht schmatzt unter unseren Schritten.

 

Auch wenn wir unseren Garten bisher nicht so intensiv nutzen, wie es in Deutschland der Fall war, finde ich es einfach wunderbar, dass es diesen Garten gibt. Im bisher heißen, feuchten Sommer halten Mücken, eine sehr hohe Luftfeuchte und viel Regen mich oft fern. Wir haben auch noch keinen Grill auf der Terasse stehen, was beim Gatzinger eigentlich ein must-have ist. Doch will keiner von uns draußen schnell grillen und dann drinnen essen - das muss alles draußen in gemütlicher Runde passieren und bisher hat es uns noch nicht nach einem Grillabend verlangt. Vielleicht passt das auch einfach besser zu deutschen Gärten? Vielleicht kommt das einfach auch noch im Herbst oder Frühjahr? Wir werden es erleben.

 

Ebenso werden wir erleben, wie sich dieser schöne subtropische Garten mit den Jahreszeiten verändert und wandelt, wie wir ihn vielleicht ein wenig verändern.

 

Sommerliche Gartengrüße sendet

die Gatzingerin