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Unser 3. Monat

Im Oktober hat sich bei uns der Wechsel von Sommer zu Herbst vollzogen. Der Regen hat fast komplett aufgehört, die Nächte werden kühler, aber wenn tagsüber die Sonne scheint, steigt die Temperatur gerne noch über 20 Grad. Sozusagen ein goldener Oktober, aber die Shanghaier Luft lässt des öfteren zu wünschen übrig.

 

Und wie sieht es bei uns im Hause Gatzinger aus? Im Oktober war so einiges los. Die erste Woche waren wir im Urlaub und haben die freien und faulen Tage auf Borneo genossen. Direkt im Anschluss konnten wir den ersten Besuch begrüßen. Ein Freund vom Gatzinger, der ein paar Tage bei uns war, bevor die beiden Herren noch gemeinsam nach Südkorea gereist sind. Die Arbeit vom Gatzinger nimmt jetzt wieder Fahrt auf, es ist viel zu tun und die Arbeitstage sind oft lang. Der Elektro-Roller war beim Design-Tuning, ist jetzt ein wahres Unikat und hört auf den Namen "Feuerstuhl" oder "Roter Drache". Die Herren haben eine "Roller-Bude" aufgetan, die optisch so ziemlich alles möglich macht, was man sich wünschen kann.

 

Beim Junior habe ich das Gefühl, dass er jetzt wirklich hier in Shanghai und in der Schule gelandet ist. Die Wutanfälle sind so gut wie verschwunden, was mich sehr erleichtert. Die Fussball-Liga ist seit Mitte des Monats in Betrieb und nun wird fast jeden Samstag gebolzt. Alle Spiele der Shanghaier Jugendliga finden im Osten der Stadt, in Pudong auf einem großen Trainingsgelände statt. Ich war tatsächlich schon 3 mal dabei und ich finde das bunte, internationale Gewusel dort eigentlich ganz witzig. Es wird Spanisch, Englisch, Französisch, Chinesisch, Deutsch und sicher noch einiges mehr gesprochen. Beim letzten Spiel war es spannend zu beobachten, wie sich das chinesische Hierarchie-Denken über die Fussballregeln hinweg setzte: Der Linienrichter hob die Fahne und signalisierte "Aus!". Der Feld- (und aus seiner eigenen Sicht wohl Haupt-) Schiedsrichter schaute nur kurz, machte eine wegwerfende Armbewegung und ließ einfach weiter spielen. Frei nach dem Motto "Hier entscheide immer noch ich"! In der Schule standen die ersten Klassenarbeiten an, hier und da ein Test, einiges an Hausaufgaben. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass da in der 5. Klasse jetzt eine Art Routine und Alltag eingesetzt hat. Es läuft. Ein Highlight des Monats waren die Bundesjugendspiele und natürlich die Klassenfahrt. Er kam fröhlich, müde, hungrig ("hat mir nicht geschmeckt"), sehr zufrieden und dreckig zurück.

 

Ich selbst habe jetzt auch schon eine Art Routine entwickelt. Montags und Donnerstags habe ich Chinesisch Unterricht und da unsere Lehrerin ein ordentliches Tempo vorlegt, gehören noch Hausaufgaben dazu und Vokabeln müsste ich eigentlich auch intensiver lernen. Es ist nicht einfach, aber ich merke, dass ich doch hier und da immer mehr Zeichen entdecke, die ich erkennen kann. Aber schwierig bleibt es trotzdem. Doch die kleinen Erfolgserlebnisse tun gut. Da war z.B. die alte Frau, die mich morgens vor dem Bäcker mit einem Wortschwall auf chinesisch bedachte und dabei immer besorgt auf den Junior zeigte. Nach einem hilflosen Nicken meinerseits verstand ich beim dritten Mal das einzelne Wort "lĕng" (=kalt). Sie machte sich also Sorgen, weil der Junior immer noch in kurzen Hosen rumläuft! Ich konnte sie dann mit einem "tā bù lĕng" (=ihm ist nicht kalt) beruhigen und nachdem die Situation aufgelöst war, konnte sie auch weiter gehen. 

Ich bin diesen Monat auch mehr in der Stadt unterwegs gewesen, habe mich treiben lassen, habe mir Sachen angesehen. Mal war ich alleine unterwegs, mal zu zweit oder in der Gruppe. Dabei vergeht die Zeit wie im Fluge, irgendwann tun mir die Füße weh und ich wundere mich beim Blick auf den Stadtplan, wie weit ich tatsächlich gelaufen bin. Ich bin auch ein wenig der chinesischen Teekultur verfallen und würde mich da gerne mehr mit beschäftigen. Das reizt mich. Das muss ich intensiver angehen. Bin auch schon dabei...

 

Seit der Zeitumstellung letztes Wochenende liegen nun 7 Stunden Zeitverschiebung zwischen Freunden, Nachbarn und Familie in der Heimat und uns hier am Ostchinesischen Meer. Das macht die Kommunikation noch etwas schwerer. Aber es klappt immer mal wieder und ich freu mich dann immer ganz besonders über ein Wiedersehen und sei es auch nur auf dem Bildschirm. Ich freu mich ebenso über jede eMail, die mich erreicht und in der ihr mir von euch, euren Gedanken, neuen Katzen, Freuden und Nöten erzählt. Dann fühle ich mich weniger weit weg.

 

Jetzt ist schon fast Wochenende und für den Junior wird es ein langes Wochenende, da die Stadt Shanghai spontan Montag und Dienstag schulfrei für alle Schulen im Stadtgebiet angeordnet hat. Eine große Messe wird eröffnet, der Präsi ist für 2 Tage in der Stadt und da darf nicht viel Verkehr sein. Also hat der gemeine Schüler und Arbeiter frei. Die Messe ist bei uns in der Nähe und alle Blumenkübel sind frisch mit Blumen bepflanzt, die Bäume geschnitten und alles wirkt wie frisch gewienert.

 

Macht es euch auf dem Sofa gemütlich mit Tee, Büchern und Wolldecken!

Herbstliche Grüße sendet

die Gatzingerin