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Herbst

Irgendwie fängt der Herbst hier in Shanghai erst viel später an als in Deutschland. Daheim sind der September und Oktober die meist tollen Herbstmonate. Die Tage sind noch nicht zu kurz, die Luft ist so wunderbar klar und das Licht so besonders und einzigartig. Kommt dann noch die Sonne hervor, sind diese Tage wie ein Geschenk und wir versuchen die Sonnenstrahlen bis auf die letzte MInute auszukosten und die Wärme zu speichern. Herrlich - ich liebe diese Tage.

 

Hier sind der September und Oktober auch ganz wunderbare Monate. Besonders nach der feuchten Hitze des Sommers. Es ist noch sommerlich warm, aber der Regen hört fast komplett auf und das Wetter lockt nach draußen. Der Garten kann endlich genutzt werden, ohne dass wir schwitzend zerfließen oder in aufgeweichten Rasen versinken. Aber diese beiden eigentlich typischen Herbstmonate fühlen sich hier gar nicht wie Herbst an; eher wie eine wunderschöne Verlängerung des Sommers.

 

MIt Beginn des Novembers hatte ich aber dann mit Herbstwetter und den entsprechenden Herbsttemperaturen gerechnet. Doch es ging vorerst weiter wie gehabt, erinnerte mich an unsere schönen September-Tage. Wir haben im Gartenmöbel-Schlussverkauf noch schnell zugeschlagen und nun sieht unsere Terasse schon ein wenig gemütlicher aus, so dass ich gerne mit Tee, Cappuccino und Buch die Sonnenstrahlen genossen habe. Der Junior ist nach wie vor ausschließlich in kurzen Hosen und ohne Jacke unterwegs. Außerdem ist der Mangold und Salat aus meinem Garten doch gerade erst erntereif.

 

Wenn ich in den letzten Wochen die zahlreichen Rollerfahrer auf den Strassen beobachtet habe, konnte ich eine zunehmende Vermummung der Menschen beobachten. Jetzt galt die Maskerade nicht mehr dem gefürchteten Sonnenlicht, sondern der "Kälte". Fast alle Roller sind mit einer am Lenkrad befestigten Steppdecke mit integrierten Handschuhen.ausgestattet, die sehr lustig aussieht. Ich frage mich, wie man da im Fall der Fälle die Hände schnell vom Lenkrad bekommt?! Manche tragen Sturmhauben-ähnliche dicke Masken, die an die Schlupfmützen deutscher Kindergartenkinder erinnern. Sie tragen dicke Winterjacken, manchmal auch zwei, wobei die eine normal angezogen wird und die andere verkehrt herum reingeschlüpft als Windschutz zu dienen scheint.

 

Doch dann war Anfang der Woche Mitte November erreicht und es wurde schlagartig auch für unsere Verhältnisse Herbst. Nachts wird es kalt. Es ist oft bewölkt. Der Mann hat sich eine Erkältung eingefangen und lag ein paar Tage darnieder. Der Junior hat nun lange Hosen und eine Jacke an. Ich habe die Mützen rausgekramt, die Sandalen und FlipFlops im Schuhschrank gegen Boots & Co. ausgetauscht und für die Fahrt auf dem Radl oder Roller liegen dünne Softshell-Handschuhe parat. Nach dem langen Sommer frieren auch wir schon bei Temperaturen bei denen der gemeine Norweger wahrscheinlich noch in Short & Shirt draußen gemütlich Bier trinken würde. Es war dann auch soweit, dass wir zu Wochenbeginn unsere Heizung angeschmissen haben. Und wunderbarer Weise sprang sie auch sofort an und funktioniert in allen Räumen. Damit hatte nach Berichten aus der Nachbarschaft ich nun wirklich nicht gerechnet. Aber gut so. Es ist also warm im Haus.

 

Aber ein richtiges Herbst-Feeling, wie ich es gewohnt bin, will sich bei mir trotzdem nicht einstellen. Was fehlt? Es fehlt vielleicht der Herbstwind. Ich brauche ja gar keinen Sturm, aber etwas mehr Wind, der die Blätter durch die Lüfte wirbeln lässt. Blätter - das nächste Stichwort. Ich vermisse, dass herbstliche Rascheln der Blätter beim Spaziergang mit Harry. Das kommt hier aus zwei Gründen nicht zustande: Einmal gibt es hier aufgrund der vielen immergrünen Bäume weniger Herbstlaub und dann werden jeden Tag von fleißigen Gärtnern im Compound und auf den Bürgersteigen die Blätter zusammengefegt, in große, schwarze Säcke gestopft und abtransportiert. vielleicht sollte ich den Gärtnern mal unauffällig zum Blätter-Sammelplatz folgen und dort hemmungslos durchs Laub rascheln?

 

Soweit zum Herbst. Aber dann steht ja schon die nächste Jahreszeit bevor. Es kam vor 2 Wochen bereits eine Einladung zum Weihnachtsmarkt an der Deutschen Schule, der Ende November stattfinden wird. Und weihnachtlich ist mir ja nun wirklich noch nicht zumute. Der Gatzinger hat sich trotzdem gemeinsam mit Kollegen zur Betreuung des Glühweinstandes angemeldet. Das könnte auf jeden Fall schon mal lustig werden. Ansonsten ist unser Haus noch gänzlich undekoriert. Kein Keks-Duft zieht durch die Küche. Selbst der Junior kam bisher noch nicht auf die ansonsten üblichen Ideen wie "Fensterscheiben bunt anmalen" oder "Leuchtsterne aus Transparentpapier basteln". Ja, noch nicht einmal "Kekse backen" kam ihm in den Sinn, was er ansonsten spätestens ab Ende Oktober vehement einfordert. Aber das wird sicher noch kommen... unsere liebsten Ausstechformen warten auf jeden in der Lebkuchen-Dose im Schrank auf ihren Einsatz!

 

So sende ich herbstliche Grüße gen Westen.

die Gatzingerin