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Coronavirus

Eigentlich... Ja, eigentlich wollten wir nur ganz entspannt die Chinese New Year Ferien in unserer alten Heimat verbringen. Aber bereits die Anreise war spannend und nervenaufreibend, da der Junior den Tag vor Abflug krank wurde und mit leichtem Fieber im Bett lag. Nach dem Check-in am Flughafen wurden wir mittels Wärmebildkamera rausgefischt und zum Fieber messen gebeten. Dann folgten ein Abstrich und viele Unterschriften auf Zetteln, die ich z.T. überhaupt nicht lesen konnte. Als dann klar war, dass wir weiter reisen dürfen, fiel uns allen ein Stein vom Herzen. Ich war auch sehr beeindruckt und dankbar, wie ruhig und freundlich die Chinesen am Flughafen waren und dass keinerlei Stress oder Panik verbreitet wurde. Natürlich trugen alle Menschen inklusive Flugpersonal Masken, aber die Stimmung blieb entspannt. Nach der Ankunft in München fiel alle Anspannung von uns ab und wir waren einfach nur froh in unserem anderen Zuhause angekommen zu sein. Ein Test brachte später noch die Gewissheit, dass eine Woche Fieber, Husten und Schnupfen beim Junior nicht dem Coronavirus geschuldet war.

 

Entpannen und die Ferien genießen war trotzdem immer noch nicht möglich. Schnell kam eine Mail der Schule, dass die Stadt Shanghai die Schließung aller Schulen bis zum 17.2. angeordnet hat. Da der Junior zum eigentlichen Rückflugdatum immer noch nicht wieder 100% fit war, haben wir unsere Flüge umgebucht und unseren Aufenthalt in Deutschland um 2 Wochen verlängert. Doch darüber gefreut hat sich keiner. Am Liebsten wollten wir eigentlich nach Hause, nach Shanghai, zurück in unseren Alltag, in unsere Wahlheimat, ja sogar der Junior wollte zurück in die Schule zu seinen Freunden und Gewohnheiten. Auf der anderen Seite bin ich besonders in dieser Situation sehr dankbar, dass wir unsere eigenen 4 Wände in Deutschland behalten und somit einen Ort ganz für uns haben, wo wir uns wohlfühlen können und mit lieben Freunden und Nachbarn in unmittelbarer Nähe.

 

Ich habe hier die Tage das Gefühl auf heißen Kohlen zu sitzen. Ständig lese ich Nachrichten, die mir oftmals übertrieben und voreingenommen erscheinen. Ständig bin ich im Kontakt mit Freunden in Shanghai und verlange nach Updates, wie es ihnen geht, was sie machen, wie die Lage ist. Dabei zeichnet sich dann ein so ganz anderes Bild ab als in den Nachrichten. Die Stadt ist so leer wie nie zuvor. Alle Museen, die meisten Restaurants und alle Freizeiteinrichtungen sind geschlossen. 4-spurige Strassen, auf denen normalerweise Dauerstau herrscht, sind verwaist. Die Menschen bleiben zu Hause und gehen oft nur zum Einkaufen außer Haus. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich jetzt auch lieber da wäre, lieber mittendrin als außen vor. Dann auch wieder bin ich froh, gerade zufällig mit meiner Familie in Deutschland zu sein. Teilweise erscheint mir das Virus nicht viel schlimmer als unsere altbekannten Grippeviren. Dann auch wieder macht mir das Abriegeln ganzer Städte Sorgen. Insgesamt eine für mich sehr unübersichtliche, verwirrende Situation mit Reisewarnungen vom Auswärtigen Amt, abgesagten Flügen, überspitzten Nachrichten und quasi Hausarrest im Land, aber auch mit (noch) relativ entspannten Schilderungen der Situation durch die Menschen, die vor Ort sind. In meinem Kopf wiederholt sich immerzu und lautstark der Satz "Ich will doch einfach nur unseren Alltag zurück!", aber darauf habe ich momentan leider keinerleit Einfluss und das frustriert mich ein wenig.

 

Besonders traurig macht mich auch die teilweise sehr arrogante Berichtersattung über DIE Chinesen und das BÖSE China. Da blitzt dann wieder die westlich Arroganz durch mit Vorurteilen und Halbwissen über ein Land und über Menschen, die oftmals ganz anders sind als wir es uns in unserem Kopf zurecht gelegt haben. Das ist nicht gut, das ist nicht fair und bringt uns nicht weiter. Jetzt nicht und sonst auch nicht.

 

Seit heute sind nun sowohl mein Mann als auch mein Sohn im Homeoffice tätig. Die Schule hat auf die Schnelle eine e-learning Plattform aufgebaut, über die Lehrer Aufgaben und Lernmaterial hochladen und den Kindern zur Verfügung stellen. Manche Sachen laufen via Internet, andere offline am Schreibtisch. Es gibt Wochenarbeitspläne für jedes Fach und die Kids entscheiden selbst, welche Aufgaben sie wann erledigen wollen. Fertig gestellte Aufträge können anschließend in einen geschützten Schülerordner hochgeladen und dort von den Lehrern eingesehen und kontrolliert werden. Der erste Tag heute ist erstaunlich gut verlaufen. Ich bin positiv überrascht! Ein Hoch auf die Flexibilität, die uns das Internet für solche Fälle bietet! Und ich? Ich versuche meine Männer bei Laune zu halten und bin gefühlt ständig am Waschen, weil wir viel zu wenig Klamotten mit genommen haben... :-)

 

Ich wünsche uns selbst die Gelassenheit, mit den momentanen Ungewissheiten umzugehen und klarzukommen.

Möge das Licht am Ende des Tunnels schnell sichtbar werden.

 

Liebe Grüße aus dem Gefühls-Chaos.

die Gatzingerin