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Auf dem Sprung

Wir sind jetzt seid mehr als 3 Wochen in der alten Heimat. Wir haben alle zusammen und jeder für sich schöne Momente und Begegnungen mit alten Freunden gehabt und genossen. Trotzdem war es jeden Tag auch anstrengend für uns, weil immer Gedanken an Shanghai, an China mit dabei waren. Ich habe im Grunde viel zu viel Zeit mit meinem mobilen Telefon verbracht. Ich habe Informationen über die Situation in Shanghai gesucht. Ich habe den Kontakt zu lieben Menschen, die vor Ort geblieben sind, gesucht. Ich wollte wissen, wie es ihnen geht, wie das Leben vor Ort momentan wirklich aussieht, denn all das findet man natürlich weder in den Zeitungen noch in den Nachrichten im Fernsehen.

 

Über allem standen die Gedanken "Wann gehen wir zurück?", "Gehen wir jetzt schon zurück?", "Ich gehe erst zurück, wenn die Schule wirklich wieder geöffnet ist!", "Wir fliegen möglichst bald wieder!" - und das alles immer schön abwechselnd mit viel Hin und Her, damit mein Hirn am Abend meistens völlig durcheinander war. Diese Hin und Her tut niemandem gut. Ich bin ja ein Verfechter der Meinung: "Eine Entscheidung muss zügig getroffen werden!" Oft ist es letztendlich egal welche, denn wir wissen ja nie, wie das Leben gelaufen wäre, hätten wir uns damals anders entschieden. Aber eine Entscheidung muss her, damit es voran gehen kann. Und auf wen kann ich mich da meist verlassen? Genau, auf meinen Bauch. Der spricht und ich muss ihm einfach nur zuhören.

 

Was will ich? Eigentlich steht für mich fest, dass ich am liebsten die geplanten 3 Jahre in Shanghai voll machen möchte, dass ich die Zeit dort ausnutzen möchte, dass die Zeit dort mein Leben bereichert, bunter macht, chaotischer macht, offener macht. Und je länger ich hier in Deutschland bin, desto mehr wird mein Bild von teils zweifelhaften Berichten in der Presse bestimmt. Ich würde mir aber gerne selbst ein Bild davon machen, wie das Leben dort momentan aussieht, wie die Stimmung ist.

 

Wir haben uns als Familie zusammen gesetzt, haben überlegt und alle 3 sind wir der Meinung, dass wir zurück nach Shanghai fliegen wollen. Wir wollen es selbst ausprobieren. Vielleicht ist es für uns ok, auch wenn es für andere nicht mehr ok ist. Vielleicht finden wir die Situation für uns nicht zumutbar, obwohl andere denken, dass es doch gar nicht weiter schlimm sei. Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Wir wollen jetzt kein "vielleicht", "eventuell" oder "mal sehen" mehr. Wir haben für uns beschlossen, es uns selbst anzuschauen.

 

Und seitdem die Entscheidung gefallen ist, seitdem der Rückflug gebucht ist, blitzt sogar hier und da eine kleine Vorfreude hervor. Eine Vorfreude auf den beginnenden Frühling, auf unseren Garten, auf unseren alten Haushund Harry, auf das Vogelgezwitscher, auf unsere Gitarren, auf die ersten Blütenbäume und besonders auf liebe Menschen, die dort auf uns warten. Die 14 Tage Quarantäne in denen wir unseren Compound nicht verlassen dürfen, werden wir schon überstehen. Mit Maske dürfen wir aber innerhalb des Compounds unterwegs sein, mit Harry Gassi gehen oder mit dem Radl drei mal im Kreis fahren. Uns wird sicher auch ab und zu die Decke auf den Kopf fallen, aber damit werden wir klar kommen. Über die anderen Sachen, mache ich mir vorerst keinen Kopf, das schaue ich mir an und dann kann ich feststellen, wie es für mich ist. Und wenn wir irgendwann und irgendwie das Gefühl haben, dass es so nicht geht, vor Ort in Shanghai zu sein, dann treffen wir eine neue Entscheidung. Dann wird wieder ein Flug gebucht mit dem Wissen, dass hier in Deutschland unsere Wohnung und liebe Menschen auf uns warten. Ein tolles Gefühl, wofür ich dankbar bin.

 

Am Dienstag geht es los. Wir sind gespannt. Ich werde berichten.

Bullerbü ist später!

 

Die Gatzingerin