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Back in Town

Jetzt sind wir schon seit fast 10 Tagen wieder zurück in Shanghai. Es geht uns gut, besser als erwartet und wir sind froh, dass wir uns für die Rückreise nach China entschieden haben. Aber vielleicht erstmal der Reihe nach?!

 

Vor dem Abflug waren wir ein bisi nervös. Im Gepäck hatten wir Massen an Masken und Desinfektionsmittel und Medikamenten, die wir allen möglichen Leuten mitbringen mussten. Der Flug mit Lufthansa nach Osaka verlief ganz normal, war fast ausgebucht und alle schienen recht entspannt zu sein. Im ANA-Flieger von Osaka nach Shanghai saßen dann allerdings nur noch etwa 18 Personen, was schon krass wenig war. Alle auf Abstand. Alle mit Masken. Wir natürlich auch. Beim Landeanflug auf Shanghai bei strahlendem Sonnenschein und mit Blick auf die Skyline haben wir auf den ersten Blick gesehen, dass irgendwie alles anders ist, denn die ansonsten so wuseligen Strassen waren alle wie leergefegt. Shanghai sah krank aus. Auf dem Rollfeld und an den Gates war tote Hose. Es waren lediglich Flugzeuge der chinesischen Airlines und nur ganz wenige andere asiatische Airlines zu sehen. Gefühlt waren wir gerade der einzige hereinrollende Flieger. Dementsprechend schnell ging dann die Einreise von statten. Es wurde Fieber gemessen, ein Gesundheitsformular musste ausgefüllt werden und dann konnten wir auch schon zu unserem Gepäck. Der Flughafen war wirklich gespenstisch leer. Am Ausgang wurden wir vom fröhlich winkenden Fahrer unseres Nachbarn in Empfang genommen, der uns mitsamt Gepäck ins Auto verfrachtete und uns nach Hause brachte. Vorher haben wir kurze Zwischenstopps bei der Bank und in unserem kleinen Supermarkt um die Ecke gemacht und dann waren wir auch schon zu Hause. Müde und kaputt, aber zufrieden.

Zuerst hieß es, dass wir erst einmal 14 Tage in Quarantäne bleiben müssten. Das hätte bedeutet: Möglichst im Haus oder Garten bleiben und im Compound nur mit Mundschutz herum laufen. Aber es stellte sich schnell heraus, dass diese Regel nicht für Menschen gilt, die aus Deutschland eingereist sind. Glück muss man manchmal haben. Jetzt dürfen wir unseren Compound verlassen, müssen allerdings für 14 Tage ein Fahrtenbuch führen und 2 mal am Tag Fieber messen und dokumentieren. Das schaffen wir! Und somit können wir uns schon mal freier bewegen, als ich es zuvor erwartet hatte. Am Sonntag haben wir die Zeit genutzt und uns mit Freunden im Café getroffen. Jaaa, die machen ihre Türen auch nach und nach wieder auf. Wir haben es alle genossen, draußen in der Sonne zu sitzen und zu erzählen, während die Kids mit Rollern herumgedüst sind und sehr glücklich über ihr Wiedersehen waren.

 

Unser Compound ist aber noch sehr abgeriegelt. Besuch von außerhalb darf nicht rein. Ayis und Fahrer dürfen auch nicht rein, es sei denn, sie arbeiten 5 Tage die Woche jeweils 8 Stunden pro Tag. Das ist bei unserer Ayi nicht der Fall und so kann sie momentan noch nicht wieder arbeiten. Aber die deutschen und deutsch-chinesischen Familien bei uns im Compound haben einen tollen Kontakt zueinander. Wir besuchen uns gegenseitig, helfen uns gegenseitig, essen zusammen Kuchen, trinken Tee, ratschen und kämpfen gemeinsam den ein oder anderen aufkeimenden Lagerkoller nieder. Gerade in dieser Ausnahmesituation ist dieser Zusammenhalt sehr viel wert und tut uns allen gut. Auch die Kinder im Compound spielen zusammen mal hier, mal dort im Garten oder sie ziehen mit Fahrrädern und Rollern umher. Das hat es so vorher nicht gegeben, da sie alle in unterschiedliche Klassen gehen. Von der 2. bis zur 6. Klasse sind sie jetzt zusammen unterwegs und haben Spaß in unserem kleinen goldenen Käfig. Das ist fast wie früher auf dem Dorf, wo auch alle zusammen auf der Strasse gespielt haben, egal wie alt, wie groß, wie klein. Ein schöner Nebeneffekt der Krise.

 

Wahrscheinlich wird der Aufenthalt hier in Shanghai demnächst in eine Zeit "vor dem Coronavirus" und die Zeit "nach dem Coronavirus" unterteilt. Diese Wochen machen eine Menge mit uns Menschen hier. Der Zusammenhalt ist größer geworden. Irgendwie gibt es dieses Gefühl von "Gemeinsam stehen wir das durch!". Das Virus hat die verwöhnte Expat-Bande ordentlich durchgeschüttelt und nun merkt man besonders, wie viel wir an einander haben. Das ist wie im ICE, der 2 Stunden Verspätung hat, alle verpassen ihre Anschlüsse, wissen nicht genau, wann es wo und wie weiter geht und plötzlich unterhalten sich die Menschen, die nebeneinander im Zug sitzen wieder mit einander, anstatt nur auf ihr Handy zu starren. Das ist ein schöner Nebeneffekt. Da noch weniger Verkehr auf unseren kleinen Strassen ist, wird Federball gespielt, viel mehr spazieren gegangen, geradelt und geratscht.

 

Und dann ist da noch das Wetter. Es ist Frühling. Einige Tage war es schon wunderbar warm und sonnig. Magnolien, die letzten Camelien und viele rosa Zierkirschen blühen. Die Vögel zwitschern wie wild. Ich war schon fleißig im Garten unterwegs, habe Karotten, Petersilie, Radieschen etc. ausgesät, Minze umgepflanzt, Rucola und Mangold geerntet. Gerade hat mir der Gatzinger noch eine Säge gekauft. Damit werde ich die Tage unsere Bananenstauden, die von der Winterkälte braun geworden sind, absägen, damit sie demnächst wieder frisch nachwachsen können.

 

Wann die Schule wieder anfängt, ist immer noch das große Fragezeichen. Ich tippe auf Ende März, aber es gibt dazu bisher keine verbindlichen Informationen seitens des Shanghaier Ministry of Education. Vielleicht eher, vielleicht später?! Wir befinden uns mittlerweile in Woche 4 des e-Learnings und es klappt mal besser, mal schlechter, aber insgesamt läuft es. Man könnte es fast schon Alltag2.0 nennen. Wir schlafen aus, frühstücken in Ruhe, der Gatzinger ist als erster fleißig im Homeoffice und hat ein Zimmer mit Blick in den Garten zu seinem Büro erklärt. Der Junior und ich teilen uns die restlichen 2 Schreibtische im Haus und drucken, tippen, schreiben, fluchen und rechnen abwechselnd. Zwischendurch wird der Haushalt geschmissen, eingekauft, gewaschen, geputzt und gekocht. Am Nachmitag ist Zeit für das ein oder andere Treffen im Compound. Für mich sind diese Begegnungen mit meinen Nachbarn wirklich wichtig, denn ab und zu hab ich einfach das Bedürfnis mit jemandem zu reden, der nicht den selben Nachnamen hat wie ich. Langeweile hat erstaunlicherweise bisher keine Chance.

 

Ihr seht, es geht uns gut! Ich glaube außerdem, dass Hund Harry das Coronavirus liebt. Nie zuvor waren wir so viel daheim, nie zuvor sind wir so viel mit ihm draußen im Garten oder im Compound spazieren gewesen. Aus seiner Sicht, könnte es sicher so noch eine Weile weitergehen. Aus meiner Sicht könnte allerdings zunehmend noch mehr Normalität zurückkehren.

 

Ich werde berichten, wie es bei uns weiter geht.

Ich werde aufmerksam verfolgen, wie es in Europa mit dem Coronavirus weiter geht. Denn da und auch überall anders auf der Welt scheint es nun leider auch außer Rand und Band zu sein. Mist!

 

Herzliche Grüße aus meinem goldenen Käfig.

die Gatzingerin