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Homeschooling Woche 8

Wir befinden uns mittlerweile in Woche 8 im Homeschooling Modus und seit vergangener Woche ist der Punkt erreicht, wo der Junior nicht mehr mag. Er mag nicht mehr alleine lernen, nicht mehr alleine arbeiten ohne seine Mitschüler und Freunde an seiner Seite. Er kann sich nicht mehr wirklich selbst motivieren und ich kann das nur allzu gut verstehen. Das Fass ist leer. Das Maß ist voll. Die Aufgaben der Woche 7 sind trotz allem erledigt, aber nicht mehr voll Stolz und aus der eigenen Motivation heraus wie bisher sondern weil ich immer an seiner Seite saß, ihn bei Laune gehalten und umgarnt habe.

 

Ich kann gar nicht sagen, wie stolz ich bin auf das, was mein Sohn (und alle anderen Kids natürlich ebenso) in den vergangenen Wochen geleistet hat. Wir Eltern müssen diese erbrachten Leistungen meiner Meinung nach viel mehr würdigen. Statt dessen wird oft viel zu viel gemeckert, weil etwas nicht rechtzeitig fertig gestellt wurde, die Schrift zu unordentlich ist oder die Motivation zu wünschen übrig lässt. Dabei kann sich wahrscheinlich kein Elternteil wirklich in die Lage der Kinder versetzen und nachvollziehen, was in deren Köpfen in letzter Zeit alles passiert ist. Fast niemand von uns Eltern musste jemals im unfreiwilligen Homeschooling arbeiten, weder über 8 noch über 3 Wochen. Wir können nur schlau daher reden und oftmals laut unsere Meinung kund tun, die aber bezüglich homeschooling völlig ohne eigene Erfahung auskommen muss. Wir meinen zu wissen, was die Schule alles tun muss in diesen Zeiten. Wir meinen zu wissen, was die Lehrer gerade alles falsch machen und versäumen. Wir meinen zu wissen, wie unsere Kinder gerade zu ticken und zu funktionieren haben. Aber so geht das nicht. Im Grunde haben wir selbst von Tuten und Blasen keine Ahnung, aber übertreffen uns in irgendwelchen Elternchats mit dämlichen Kommentaren und vermeintlich tollen Ideen, wie Schule im Homeoffice auszusehen hat. Und meistens soll das Ganze so ablaufen, dass der Arbeitsalltag von Mutti und Vati möglichst reibungslos weitergehen kann.

 

Dabei wird von uns Eltern gerne übersehen, dass die Kids momentan viel emotionalen Stress erleben - genau wie wir Großen. Zusätzlich zum Schulstress. Die Kids bekommen mit, wenn wir uns über die aktuellen Zahlen unterhalten. Wenn wir darüber reden, dass es immer mehr Einschränkungen im Flugverkehr zwischen den Ländern gibt. Sie machen sich vielleicht auch Sorgen um Oma und Opa in Deutschland. Sie sind traurig und verwirrt über verlegte Ferientermine, abgesagte Urlaube und vermissen den besten Freund, weil im Compound seit 11 Wochen kein Besuch empfangen werden darf. Mich wundert es nicht, dass das homeschooling mit so vielen Gedanken im Kopf, nicht immer reibungslos verlaufen kann. Mich wundert viel mehr, wie gut es bei uns in den vergangenen 7 Wochen funktioniert hat. Da ziehe ich wirklich den Hut vor meinem Sohn! Und vor den anderen Kindern auch!

 

Natürlich befinden auch wir Erwachsenen uns in einer bisher unbekannten Ausnahmesituation. Auch wir ticken momentan vielleicht etwas oder sehr anders als sonst. Auch wir haben Ängste und Sorgen. Dessen sollten wir uns alle bewusst sein und uns daher weniger gegenseitig kritisieren. Statt dessen sollten wir schätzen, was von allen Beteiligten, sprich, Schule, Lehrern, Eltern und Kindern, bisher geleistet wurde. Wir sollten zusammenhalten, unseren Kids das Gefühl geben, dass sie oft Großartiges vollbracht haben die letzten Wochen und das Streben nach Noten und Beurteilung etwas hinten an stellen. Zumindest für unsere 5. Klasse sehe ich das so. Oder hat sich irgendwer mit seinem Zeugnis der 5. Klasse irgendwo beworben? Ich brauche auch keine Angst haben, dass mein Kind im Leben schlechter da stehen wird, wenn es nicht genau Bescheid weiß, was im Ägypten zur Zeit der Pharaonen abging. Daran kann ich mich auch nicht mehr erinnern. Unsere Kinder sind im Homeschooling wahrscheinlich etwas selbstständiger geworden. Unsere Kinder sind auch viel schlauer als wir meinen. Sie werden den Stoff, den sie wirklich brauchen, in Kürze nachholen und verfestigen, wenn sie hoffentlich bald hochmotiviert und glücklich wieder früh morgens zur Schule gehen, fahren oder radeln und gemeinsam mit ihren Lehrern im Klassenzimmer sitzen. Die schaffen das, wenn wir es schaffen ihnen ein gutes Gefühl mit auf den Weg zu geben. Lobt all diese vielen tollen Kinder für das, was sie geschafft haben statt sie zu kritisieren für das, was liegen geblieben ist.

Ich werde derweil versuchen, den negativen Teil des Klassen-Eltern-Chats weiterhin zu ignorieren.

 

Wir dürfen uns jetzt aber erstmal auf die vorverlegten und wohl verdienten Ferien freuen. Es liegt nur noch diese Woche Homeschooling vor uns und dann haben wir 2 Wochen Ferien. Wir werden nicht weg fahren können, aber das macht nichts. Das Klima freut sich sehr, wenn wir Menschen mal wieder nur ein oder zweimal im Jahr in den Urlaub fahren oder fliegen. Wir werden die Zeit nutzen, um das wieder erwachende Shanghai zu erkunden, um uns mit Freunden zu treffen und gemeinsam Ausflüge zu unternehmen. Passend dazu sind die Temperaturen angenehm frühlingshaft, es blüht an allen Ecken und nach 2 Wochen haben wir hoffentlich alle ausreichend Kraft getankt für die kommenden Wochen. Was auch immer uns erwartet, denn einen Wiedereröffnungstermin für die Schulen gibt es bisher noch nicht.

 

Ich sende liebe Gedanken in alle Ecken der Welt, wo Kids, Eltern und Lehrer, Freunde oder mir Unbekannte in einer ähnlichen Situation stecken. Es ist nicht immer einfach, aber es ist möglich, wenn wir zusammen halten und uns Kraft spenden statt sie uns gegenseitig zu rauben.

Es grüßt, die Gatzingerin.