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Unser 8. Monat

Noch so ein Ausnahmemonat, den wir hauptsächlich Zuhause in den eigenen 4 Wänden verbracht haben. Der Junior im Homeschooling, der Gatzinger im Homeoffice und auch ich war im Home-Modus unterwegs. Die Wochen ließen sich aber aus unserer Sicht sehr gut aushalten, da wir mit ansehen konnten, wie sich die Situation in Shanghai zunehmend verbessert hat, wie die Strassen sich immer mehr belebt, Cafés und Restaurants wieder aufgemacht haben. Passend dazu war an vielen Tagen tolles Frühlingswetter, teils fast schon sommerlich, so dass der Junior wieder glücklich in kurzen Hosen unterwegs war. Das Roller fahren macht wieder Spaß, wenn die Finger nicht einfrieren. Das Gärtnern macht Spaß und der eigene Spinat und Mangold schmeckt natürlich doppelt lecker. Federball und Fussball spielen im Garten macht sowieso Spaß. Die Krönung des Monats sind für den Junior natürlich die Osterferien mit wirklich notwendiger Erholung nach 8 Wochen Homeschooling. Passend dazu durften wir nach 2 Monaten nun endlich wieder Besuch bei uns im Compound empfangen und so wurde gleich ein Ferien-Übernachtungs-Date mit dem besten Kumpel ausgemacht und es toben gerade 2 glückliche Jungs durch Haus und Garten.

Wir waren viel daheim, aber nicht nur. Wir haben das schöne Wetter genutzt und waren mal wieder ein bisi in Shanghai unterwegs, haben den Expo-Park besucht, waren lecker in der Stadt essen, haben auf beiden Seiten des Flusses die Wolkenkratzer bewundert und uns mit Freunden getroffen. Viele schöne, kleine Erlebnisse, die unsere Akkus immer wieder aufgeladen haben, damit wir den teils chaotischen Alltag auch weiterhin gut bewältigen können.

 

Seit diesem Monat geht es aber auch in Europa und dem Rest der Welt drunter und drüber. Die Zahlen steigen. Sie steigen viel zu schnell und am Anfang schien es mir als wäre Europa davon tatsächlich überrascht. Das verwundert mich. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Europa sich zu sicher gefühlt hat. Wieso bloß? Dachten alle, das Virus könne ihnen nichts anhaben? Das Virus würde an den Europäern vorbei ziehen? "Deutschland ist gut vorbereitet?", las ich immer wieder in den Zeitungen - Wirklich? Ganz bestimmt wurde zu Beginn der Epidemie in Wuhan viel vertuscht, verschlafen und verpennt und das zu Recht kritisiert. Aber ich kann diesbezüglich bei den meisten Ländern in Europa keinen Unterschied erkennen, egal ob absichtlich oder -hups- versehentlich.

 

Wir bewegen uns hier in China also langsam, Schritt für Schritt in Richtung Normalität zurück, während der Rest der Welt zunehmend vom Coronavirus überrannt und gelähmt wird. Die Welt wird noch eine Weile "eine andere" sein. Viele Dinge, die uns allen selbstverständlich und unverrückbar erschienen, sind nun nicht mehr möglich. Keine Schule. Keine reguläre Arbeit bei vielen Menschen. Keine Reisen. Sichtbare und fühlbare Grenzen. Auf der anderen Seite, Menschen mit unglaublich viel Arbeit in den Supermärkten, auf dem Acker, in den Krankenhäusern und Laboren. Ängste. Solidarität. Hilfsbereitschaft. Eine irre intensive Zeit, die wir hier gerade gemeinsam auf der ganzen Welt erleben. Ich bin wahnsinnig gespannt, was das alles mit uns macht und ob und wie es sich dauerhaft auswirkt. Ärzte und Krankenschwestern waren schon immer angesehen. Pfleger eher nicht. Menschen, die im Lebensmitteleinzelhandel arbeiten schon mal gar nicht. Die werden vielleicht gerne mal angemault, weil es kein Klopapier, keine Hefe mehr gibt, aber generell erfahren sie momentan eine Wertschätzung, die eigentlich immer da sein sollte. Auch ich arbeite normalerweise im LEH. Auch ich wurde selten, aber immer mal wieder blöde angemault. Auch ich hätte mit meinem Gehalt keine Familie ernähren können und ich fände es wünschenswert, wenn diese Wertschätzung anhält.

 

Puhhh! Was ein Monat. Ich werde diesem März nicht wirklich nachtrauern. Er gehört ganz sicher nicht zu den besten Monaten, die wir hier erlebt haben, aber er hatte trotzdem seine fröhlichen, positiven und lustigen Momente und auf die will ich mich konzentrieren. Die blöden, traurigen und beängstigenden Momente gehören auch dazu, aber sie sollen mein Denken nicht zu sehr bestimmen! Wichtig ist: Es geht voran! Die Lage entspannt sich! Das Licht am Ende des Tunnels ist in der Ferne sichtbar! Möge es im kommenden Monat vielleicht schon zum Greifen nah sein!

 

Liebe Grüße, die Gatzingerin