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1. Schultag 2.0

Der Tag heute begann mit dem frühen Klingeln des Weckers anders als ein bei uns typischer Homeschooling Tag. Halb 7 aufstehen war angesagt und ab unter die Dusche. Puh! Im Anschluss den Junuior aus dem Bett werfen, der ebenso Mühe hatte, seine Augen zu öffnen. Schulbrote schmieren, Trinkflasche füllen. Dann folgte eine Neuerung im Schulalltag2.0: Jeden Morgen Fieber messen und auf einem vorbereiteten Zettel eintragen mit dem Datum von Heute, dem Datum der letzten Einreise in die Provinz Shanghai, der Bestätigung, dass der HealthCode auf dem Handy der Eltern GRÜN ist und diese Angaben dann mit einer Unterschrift bestätigen. Das steht ab sofort jeden Morgen auf dem Plan. Dazu eine Maske auf der Nase und eine als Ersatz mit in den Rucksack.

 

Wie immer ging es mit dem Radl zur Schule. Wie immer fahre ich am Morgen noch mit zur Schule. Wie immer standen ein paar Kids am Compound-Eingang und haben auch den Bus gewartet. Wie schöne, dass jetzt endlich wieder "wie-immer-Zeit" ist. Es hat mein Herz gerührt, so viele Kids auf dem Weg zur Schule zu sehen. Das hat mir gefehlt.

 

Vor der Schule sah es FAST so aus wie immer. Aber eben nur fast. Einer fängt die Schüler ab und erklärt bei Bedarf das Prozedere.. Zuerst mussten die Kids ihren ausgefüllten Zettel abgeben und zu ganz in weiß gekleideten Personen zur Fieberkontrolle mittels Wärmebildkamera weitergehen. Bei einer Temperatur bis 37,3 Grad wird dann der Zugang zur Schule gewährt. Das liest sich jetzt aber komplizierter als es tatsächlich war. Zumindest sah ich den Junior binnen kürzester Zeit die Treppen zm Eingang hoch steigen und dann war er auch schon in der Schule verschwunden.

 

Und ich? Ich stand auf der gegenüber liegenden Strassenseite und musste das Treiben noch ein paar Minuten beobachten. Ich war überrascht, wie emotional mich die ganze Szene anscheinend berührt hat. Ich stand da mit meinem Radl, hatte Tränen in den Augen und das Gefühl als würde gerade eine Last, eine Verantwortung von meinen Schultern abfallen. Ein schönes Gefühl. Ich bin nicht mehr zuständig für die Schulbildung meines Sohnes. Es ist wieder sein Ding. Ich werde gerne Fragen bei Hausaufgaben beantworten oder mit ihm für eine Arbeit lernen, aber der Rest ist ein Ding zwischen ihm und seinen Lehrern und so soll es sein. Ist zumindest meine Meinung.

 

Am späten Vormittag kamen dann ein paar liebe Menschen zu mir, um diesen besonderen Tag mit 1 oder auch 2 Glas Prosecco zu feiern. Es war eine kleine Runde bunt gemischter Frauen, die alle froh sind, dass das Kapitel Homeschooling abgeschlossen ist. Ein weiterer Schritt in Richtung Normalität.

 

Und was hat der Junior am späten Nachmittag zu berichten?

Er war gut gelaunt, aber echt kaputt als er am späten Nachmittag nach Hause kam. Im Klassenzimmer und zum Sport oder Fussballtraining müssen sie keine Maske tragen. Abstandsregeln gibt es anscheinend keine besonderen, denn in den Pausen durften sie gemeinsam spielen und zusammen sein wie sonst auch. Die Mensa hat auf, aber die Tische sind etwas voneinander abgetrennt. Und dass es kein Salatbuffet gibt, fällt dem Junior eh nicht auf. "Es war fast wie immer!" - das ist eine Aussage, die mich positiv stimmt.

 

WIE IMMER - ALLTAG - NORMALITÄT

Diese Begriffe waren bis vor kurzem oft eher negativ besetzt. Jetzt erscheinen sie uns plötzlich als das non-plu-ultra und erstrebenswert. Keiner will mehr Besonderheiten, keiner will mehr Un-Alltag, keiner will endlich mal wieder was anderes machen. Jeder will normal sein und alles so wie immer machen; also wie das Vor-Corona-Immer. Wie unsere Weltsicht, unsere Sicht auf die Dinge sich doch manchmal unverhofft ändern kann. Welche Wertschätzung wir unserem alten Alltag doch mittlerweile entgegen bringen. Spannend.

 

Und dann sind da noch so Fragen wie "Was passiert, wenn ein Kind eben doch erhöhte Temperatur hat?". Besonders bei den jetzt schon vorherrschenden sommerlich warm-heißen Temperaturen kann es leicht vorkommen, dass bei dem ein oder anderen Schüler die Temperatur über den festgelegten Sollwert steigt. Es heißt, die Kids kommen dann ins Erste-Hilfe-Zimmer und dort wird nach einiger Zeit erneut gemessen. Mit weiter steigenden Außentemperaturen wird es bei den Krankenschwestern wahrscheinlich zunehmend voll werden...?!

 

Ich freu mir heute jedenfalls ein Loch ins Knie.

Von ganzem Herzen sende ich Grüße um den Globus und hoffe, dass unser Alltag bald noch weniger von Coronaviren und dafür wieder mehr von uns selbst bestimmt wird. Es geht wieder bergauf!

die Gatzingerin