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kleine Baustellen

Das erste was mir beim Look-and-See Trip in unserem Compound aufgefallen war, ist das laute Vogelgezwitscher. Damit hatte ich so überhaupt nicht in dieser MegaCity gerechnet. Ich hab zuerste sogar die Vermutung aufgestellt, dass das Gezwitscher vielleicht aus der Retorte kommt und über Lautsprecher verbreitet wird. Aber nein, es ist echt und wirklich zu jeder Jahreszeit vorhanden, lediglich in etwas abgewandelter Form.

 

Seit fast einem Jahr scheißen uns all diese vielen bunten Vögel des Compounds auf unser Auto. Manchmal auch auf die Roller. Das Carport hat kein Dach. Es ist ganz wunderschön mit rankenden Pflanzen bewachsen. Wirklich hübsch anzusehen. Jeden Morgen aber sieht das Auto so aus, als wäre es wochenlang nicht gewaschen worden. Dabei ist das nicht wahr. Der Gatzinger hat doch seinen kleinen Kärcher. Er hat sogar ein Abo bei der nächsten Autowaschanlage. Trotzdem klebt an unserem Auto Vogeldreck, Pflanzenreste, Blütenblätter und dazu der alltägliche Feinstaub aus der Luft. Und sollte es einmal regnen, wird das Auto davon auch nicht sauberer. Der Schmutz ist hinterher nur unregelmäßiger verteilt.

 

Der Gedanke, eine Abdeckung auf das Carport zu schrauben, ist schon lange da. Zuerst wussten wir ja nicht, wie lange wir bleiben würden. Lohnt das also überhaupt? Spielen unsere Vermieter mit? Wer fragt sie? hm? Seit dem Winter wissen wir nun, dass wir noch 2 Jahre bleiben werden. Es musste also eine Lösung her. Die Vermieter befinden sich Corona-bedingt momentan in London bei ihrem Sohn; auch dort gilt Homeschooling statt Internatsleben. Es musste also alles per WeChat abgeklärt werden. Vorsichtige Anfrage unsererseits. Kurz darauf freundliche, verständnisvolle Antwort ihrerseits. Natürlich können wir das machen. 3 Tage später stand ihr contractor (Freund der Familie und Bauleiter des Hauses) vor der Tür und nimmt sich der Sache an. Die Vermieter sind per Telefon zugeschaltet. Ich stehe daneben und verstehe meist nur chinesisch. Zwischendurch fragt oder erklärt mir Frau Vermieterin manches auf englisch, aber eigentlich ist es mir auch egal, wie sie es machen.

 

Nach einigem Hin und Her steht der Plan. Das alte Carport bleibt wie es ist, damit die Pflanzen erhalten werden und eine Unterkonstruktion mit Dach wird gebaut. Ok, mir recht. Ein paar Tage später sollte ich der Landlady noch mal Fotos vom Carport schicken. Sie war nun der Meinung, dass das Holz vielleicht doch nicht mehr so gut ausschaut. Daraufhin wurde nun also entschieden: Das alte Carport kommt weg! Auch gut. Hauptsache wir haben irgendwann ein Dach über dem Auto.

 

Tag 1

Am Mittwoch standen drei Handwerker vor der Tür. Wir machen Platz und fahren das Auto und die Roller weg. Kurze Zeit später klopft es am Fenster: Sie brauchen eine Leiter.... unsere Leiter! Leider war die Leiter unauffindbar. Der Gärtner hatte sie sich -selbständig wie er ist- ausgeliehen und anscheinend nicht zurück gebracht. Es herrschte allgemeine Ratlosigkeit, die Handwerker schauen sich und mich fragend an, bis ich eine Leiter bei den Nachbarn organisiere. Dann kann es ja losgehen, denke ich. Aber es klopft wieder. Sie brauchen ein Verlängerungskabel.... unser Verlängerungskabel. Unsere Handwerker sind echt prima ausgerüstet. Immerhin haben sie an eine Säge gedacht. Das wichtigste Utensil auf der Baustelle scheint aber der Wasserkocher zu sein, damit alle immer gut mit Tee versorgt sind. Dafür benötigten sie wahrscheinlich auch das Verlängerungskabel.... Das sagt vielleicht einiges über die Prioritäten auf chinesischen Baustellen aus?

Zwischendurch brachte der Gärtner noch unsere Leiter zurück. Wahrscheinlich hat die Landlady ihm via Telefon Beine gemacht. Nun steht sie wieder an ihrem Lieblingsplatz.

Am Ende von Tag 1 lag jedenfalls unser altes Carport ordentlich zerstückelt neben unserem Parkplatz. Das Altholz ist AUF den Bodendeckern und kleinen Büschen fein säuberlich aufgestapelt. Ich bin gespannt, wie lange es dort liegen bleiben wird.

 

Tag 3

Am Freitag waren sie wieder da. Diesmal zu viert und mit einem kleinen Baugerüst. Meine Leiter konnte also im Schuppen bleiben. Um halb 10 waren sie da und haben bis in den späten Nachmittag hinein gewerkelt, getan und gemacht. Das Grundgerüst steht schon mal. Ein ordentliches Tagwerk. Bis auf dass das Altholz immer noch AUF den ganzen Pflanzen an der Seite liegt. Man kann nicht alles haben.

Tag 6

Montag. Es wurden uns vom Landlord viele Arbeiter angekündigt. Und sie kamen. Die drei bereits bekannten Handwerker sind wieder draußen am Carport am Schweißen, Flexen und Hämmern. Alles was Krach macht. Noch nicht einmal der Hund geht freiwillig raus, auch wenn heute ständig die Tür offen steht. Die Haustür steht offen, weil der "Maler" sie immer offen stehen lässt. Ich habe ihm bereits gezeigt, wie unsere "moderne" Türklinke zu bedienen ist, aber... nun denn. Die Tür steht heute also gerne offen. Schade nur, dass die dabei hereinströmende Luft heute ebenso schlecht ist wie meine Laune. Der Maler ist ein alter, kleinerer chinesischer Herr, der aus meiner deutschen Sicht eigentlich schon längst in Rente sein sollte. Nun malert er heute (und wahrscheinlich noch länger...) einige unserer Wände. Eigentlich müsste das gesamte Haus gestrichen werden, aber ich mag mir gar nicht vorstellen, wie lange das dauern würde. Da lebe ich lieber noch 2 Jahre mit weniger hübsch anzusehenden Wänden und habe statt dessen meine Ruhe. Der nächste Handwerker ist oben auf dem Flachdach und unternimmt einen weiteren Versuch, die beiden Risse im Dach zu schließen. Der erste Versuch ist Anfang des Jahres gescheitert. Ich bin gespannt, aber nicht wirklich voll positiver Hoffnung. Ich mag auch gar nicht allzu genau hinsehen, was und wie sie es anstellen. Chinesische Handwerker im Haus sind echt was Spezielles... Ich versuche derweil mein Hirn auf Durchzug zu stellen, trinke noch mehr Tee als sonst und übe mich in Entspannung...Yoga im Geiste.

Am Abend, als alle fleißigen Handwerker von der Bildfläche verschwunden sind, erinnert im Haus lediglich ein Stilleben mit diversen Farbeimern mitten in der Küche an die Handwerker-Invasion. Es bleibt der penetrante, ungesunde Geruch nach frischer Farbe zurück. Wir schlafen alle zusammen im Kinderzimmer. Dort riecht es am wenigsten.

 

Tag 7

Dienstag. Es regnet. Folglich erscheinen die Carport-Leute heute nicht zur Arbeit. Der "Maler" steht am Morgen wieder auf der Matte und macht dort weiter, wo er gestern aufgehört hat. Irgendwann räumt er im Haus die Malersachen zusammen und macht sich außen am roten Mauerwerk zu schaffen. Die Pseudo-Klinkersteine sind nun von einer ordentlichen Schicht Klinker-Farbe bedeckt. An einigen Stellen etwas großzügiger während andere Stellen leider leer ausgegangen sind. Am Abend nimmt er diesmal all seinen Kram mit. Er scheint also fertig zu sein. Alles was bleibt, ist dieser Farbgeruch, der mir zu Kopfe steigt. Alle Fenster stehen auf Durchzug. Gott sei Dank ist die Luft draußen heute einigermaßen atembar.

Tag 8

Mittwoch. Kein Maler in Sicht. Das Thema scheint also erledigt zu sein. Um halb 10 tauchen die drei Herren vom Team "Carport" auf. Ich fahre also wieder das Auto und die Roller weg und sie werkeln fleißig bis zum frühen Abend. Heute entziehe ich mich dem Lärm und Krach und treibe mich über MIttag bei und mit Frau Nachbarin herum. Dann ist es vollbracht. Das Carport ist fertig und die Arbeiter haben es mir stolz und fröhlich präsentiert. Nach ihrer Abfahrt habe ich noch einmal ordentlich gefegt, damit die Reifen von Roller und Auto heile bleiben. Übrig geblieben von der ganzen Aktion ist ein ordentlicher Haufen Müll und ich hoffe, dass der freundlich Müllmann die Sachen auch alle mitnimmt. Ansonsten muss das Zeug gemeinsam mit dem Holz die kommenden Tage abtransportiert werden.

Die Fahrzeuge sind mittlerweile in ihr neues Heim eingezogen, unsere in London gestrandeten Vermieter mit aktuellen Fotos versorgt und jetzt warte ich gespannt... Gespannt auf den ersten Regen. Gespannt auch, ob die Vögel wirklich keinen Platz mehr oberhalb des Autos finden zum sch....!

 

Das Drama in 5 Akten ist zu Ende. Manchmal hatte es aber auch Züge einer Komödie, oder einer Realsatire...?!

Seid fröhlich gegrüßt von einer erleichterten Gatzingerin!