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SOM.MER

Sommer. Das Wort ist absolut positiv besetzt. Es verheißt Sonne, Garten, See, Strand. Ich denke an lange Grillabende im Garten, an den Pfirsichbaum neben dem kleinen Biergarten, an ein Bad im Ammersee am Abend, wenn es dort leer wird. Das Leben findet draußen statt, der Alltag wird in den Garten verlagert.

 

Ich hatte Anfang Mai das Gefühl "Hey, jetzt ist der Sommer da!". Jacken wurden nicht mehr gebraucht. Die Temperaturen lagen stets zwischen 20 und 30 Grad. Logo, dass ich da bereits an Sommer dachte. So wie ich den Sommer halt kenne und liebe.

 

Aber jetzt im Juni wird mir klar: Das war noch gar nicht der Sommer. Zumindest nicht der Shanghaier Sommer. Der geht anders. Das wusste ich ja eigentlich auch schon, aber ich habe es erfolgreich verdrängt. Seit Juni steigt das Thermometer immer eher auf mindestens 30 Grad. Es ist der Monat mit den meisten Regentagen. Pflaumenregen nennen sie den Monat hier in Shanghai, weil jetzt die kleinen roten Mirabellen überall an den Bäumen im Compound reif werden. So erkläre ich mir die Namensgebung zumindest.

 

Wenn in Shanghai, das in den sommerfeuchten Subtropen liegt, Sommer ist, dann ist wirklich Sommer. SOM.MER! Der Sommer hier ist nicht so leicht zu genießen. Es ist warm bis heiß. Immer. Es regnet sehr oft. Mal nieselt es den ganzen Tag vor sich hin, mal schüttet es eine Stunde lang wie aus Eimern, die Strassen stehen unter Wasser und Fahrrad oder Roller fahren wird zur Rutschpartie. Regenjacken braucht hier zu dieser Zeit kein Mensch. Mit einer Regenjacke würde ich zwar nicht vom Regen durchnässt, stattdessen aber in Schweiß gebadet sein. Auch nicht besser, vielleicht sogar unangenehmer.

 

Die Luftfeuchtigkeit liegt nicht unter 60% , meist eher bei 80%. Ich muss mich noch nicht mal bewegen, damit ich mich am ganzen Körper schwitzig fühle. Feuchtigkeitscreme oder Bodylotion? Die braucht hier im Sommer kein Mensch. Beim abendlichen Spaziergang mit Hund Harry kann man im Licht der Laternen an manchen Tagen die Wasserteilchen fast in der Luft stehen sehen. Wobei Harry momentan eher ein Mal als zwei Mal am Tag Spazieren gehen mag. Und eher eine Runde statt wie üblich zwei. Dem Hund ist heiß! Der liegt gerade am liebsten träge auf den kühlen Küchenfliesen. Der alte HundeHerr ist für dieses Klima wirklich nicht geschaffen. Armer Kerl. So viel Fell kann der gar nicht verlieren, dass er nicht mehr unter der Hitze leiden würde.

 

Es ist also soweit. In der Nacht läuft die Klimaanlage im Schlafzimmer auf 26 Grad, damit wir einen erholsamen Schlaf genießen können. Tagsüber habe ich sie auch ab und zu laufen, damit es nicht zu feucht im Haus wird. Aber eben nicht ständig. Ich will mich ja auch in irgendeiner Art und Weise an die schwüle Hitze gewöhnen, damit ich nicht jedes Mal das Gefühl habe, gegen eine Wand zu laufen, wenn ich das Haus verlasse. Und eine Erkältung durch extreme Temperaturwechsel kann hier auch niemand gebrauchen.

 

Ich verbringe seit kurzem wieder viel mehr Zeit im Haus statt im Garten. Wer braucht momentan schon Gartenmöbel und schöne Terrassen? Außerdem sind da ja noch diese aufdringlichen Plagegeister namens Tigermücken. Es sind ihrer viele und sie stürzen sich am liebsten auf meine Knie. Die sind bereits mit zahlreichen juckenden roten Punkten übersät. Also lasse ich das Gärtnern gerade auch einfach sein. Ich flitze schnell in die Beete, um die ersten Cocktailtomaten oder Buschbohnen zu ernten, aber dann verschwinde ich schnellstmöglich wieder im Haus und trotzdem juckt es an den Beinen schon wieder wie verrückt. Die deutschen Mücken haben mich ja eher ignoriert. Die chinesischen Tigermücken stehen auf meine Knie.

 

Der Shanghaier Sommer hier macht mich Draußenmenschen zum Drinnenmenschen. Der Hund liegt am liebsten im Luftzug der Klimaanlage. Das Kind geht fast schon freiwillig duschen am Abend. Der Garten verwildert etwas. Der Mann leidet, weil kurze Hosen im Büro tabu sind. Jetzt ist mir wieder klar, warum eigentlich jedes Jahr fast alle Expats die Stadt verlassen und zu Ferienbeginn in die sogenannten "Fluchtflieger" nach Europa steigen. Leider wird das diesen Sommer nicht möglich sein.

 

Der Sommer hier ist kein Vergnügen, sondern harte Arbeit. Die meisten Tage und Wochen von März bis Mai waren ein Vergnügen. Die Zeit von Mitte September bis Ende November war ein Vergnügen. Aber Juni, Juli und August sind leider etwas zu warm und einiges zu feucht, um als "ENDLICH SOMMER" fröhlich begrüßt zu werden. Nun denn... Sauna findet die nächsten 3 Monate also draußen statt..

 

Ich würde den Sommer sooo gerne in D verbringen. Ich will in den Ammersee springen, in die Ostsee, in die Schlei, die Elbe, den Pool in Osna oder auch die Regentonne in Grete's Garten. Das alles wird nix. Das muss auf nächstes Jahr verschoben werden. Aber Jammern hilft noch immer nicht. Wir werden das Beste draus machen.

 

Seid lieb gegrüßt und genießt den Sommer in Deutschland für mich mit.

Ich will keine Klagen hören... ;-)

 

die Gatzingerin