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Weihnachtsgefühle?!

Letztes Jahr hatten wir das Haus irgendwie so gar nicht geschmückt. Da gab es lediglich einen Adventskalender mit 15 Säckchen, an der Treppe aufgehängt wie eh und je, und nachdem das letzte Säckchen geleert war, sind wir in den Flieger nach Auckland gestiegen. Dort im Bulli hatten wir dann auch mehr eine Urlaubsstimmung als eine Weihnachtsstimmung, aber das war ja der Plan.

 

Dieses Jahr war der Plan (Darf man das Wort in 2020 überhaupt noch benutzen?) die Weihnachtsferien in Deutschland mit der Familie und Freunden zu verbringen. Dieser Plan fiel jedoch den Corona-Umständen zum Opfer, womit wir wieder mal bei Plan B angekommen wären. Plan B lautet: Wir bleiben daheim in Shanghai und machen es uns gemütlich.

Da wir ja nie wirklich vor hatten, ein Weihnachtsfest hier in Shanghai zu verbringen, haben wir auch so gut wie keine Deko mitgenommen. Alles wartet in 2 Kisten verpackt in Deutschland unter'm Dach auf unsere Rückkehr. Lediglich eine kleine Keksdose mit Filz-Wichteln und kleinen Kugeln hat den Weg nach China gefunden. Es musste jetzt also Deko her. Der Junior und ich haben uns an die Arbeit gemacht und sind in die Sternen-Massenproduktion eingestiegen, obwohl basteln im Grunde nicht zu meiner Lieblingsbeschäftigung zählt. 3D-Sterne für kleine Girlanden und bunte Sterne aus Transparentpapier für die Fenster. Dazu ein paar Flaschenbürsten-Weihnachtsbäume, zwei bestellte und schnell gelieferte Räuchermännchen und Lichterketten. Im Keller stand noch eine Sammlung verschiedenartigster Nussknacker, die unsere Vermieter aus ihrer Zeit in Europa mitgebracht hatten. Jetzt schmücken die schönsten davon bei uns die Fensterbänke.

 

Und wenn der Junior die Fenster mit Kreidestiften bunt anmalt oder wir uns ans Plätzchen backen machen, dann denken wir ganz besonders feste an den Opa und schicken ihm in Gedanken liebe Grüße! 

 

Ende November fand der Adventsmarkt auf dem Schulgelände statt. Bei Glühwein, Lebkuchen und Weihnachtsliedern kam auf jeden Fall so etwas wie Weihnachtsstimmung auf, gepaart mit der Freude darüber, dass dieses tolle Fest dieses Jahr überhaupt stattfinden durfte. Am Stand des Abijahrgangs wurde auch noch ein Adventskranz UND ein Türkranz eingepackt. Ich hatte noch nie einen Türkranz! Aber ich hatte ja auch noch nie eine eigene Hauseingangstür. Und es gibt ganz sicher schönere Kränze als diese beiden Exemplare, aber der Abijahrgang braucht schließlich Geld und das sollten sie von Herzen gerne haben.

 

Nun zu dem Weihnachtssymbol schlechthin: Der Weihnachtsbaum. In der Stadt sieht man immer wieder Weihnachtsbäume. Die meisten davon sind natürlich unglaublich häßlich und kitschig, dazu meist aus Plastik. Sie sind in der Regel behangen mit glitzernden Dingen und blinkenden Lichtern und wirken auf mich eher abstoßend als "oh, will-ich-auch-haben". So beschlossen wir als Familie einstimmig, dieses Jahr auf einen Weihnachtsbaum zu verzichten. Keiner hat Lust auf einen Plastikbaum. Keiner hat Lust soooo viel Geld für einen echten Baum im Topf zu bezahlen. Keiner hat Lust tendenziell hässliche Deko für den Baum zu kaufe, die wir nur dieses Jahr nutzen würden, weil doch daheim in der Kiste all die schönen und besonderen Kugeln, Holz- und Messinganhänger warten. Jetzt überlegen wir nur, wo der Weihnachtsmann die Geschenke ablegen soll, aber da wird uns sicher noch was einfallen.

 

Der Junior liefert auch ein bisi Weihnachtsstimmung. Er hat sein Buch mit den Gitarrenliedern wie jedes Jahr hervor gekramt und spielt all die altbekannten Lieder. Auch ich werde genötigt mit zu spielen. So übe ich momentan also brav und wie mit geboten ein paar Lieder und bis Weihnachten sollten mindestens zwei davon wieder sitzen. Und wenn wir dann so da sitzen und spielen, legt sich meist der Hund zu unseren Füßen nieder. Er scheint ein großer Freund der Hausmusik zu sein.

 

Was im vergangenen Jahr eine wirkliche Weihnachtsstimmung bei mir hervorgerufen hat, war das Weihnachtssingen der Sekundarstufe am letzten Schultag. Ich hatte Gänsehaut. Ich hatte eine Träne im Auge. Es war einfach wunderschön, wie so viele deutsche und franzöische Kinder gemeinsam eine Stunde lang ein Lied nach dem anderen geschmettert haben. Auch dieses Jahr wird das Weihnachtssingen stattfinden, leider unter Ausschluss der Öffentlichkeit, da wir Eltern die Schule nach wie vor nicht betreten dürfen. Aber immerhin haben die Kinder dieses besondere Event als Jahresabschluss und ich werde hoffentlich im kommenden Jahr noch einmal in den Genuss kommen und zuhören dürfen.

 

Aber bevor es nun wirlich weihnachtet, zieht es uns noch einmal ins Warme. Wir wollen noch einmal unsere Füße in den Sand bohren, ins Meer springen und die Sonne genießen. Dieses Mal soll klappen, was wir im Sommer leider absagen mussten. Wir fahren gemeinsam mit Freunden und freuen uns alle schon wie Bolle. In wenigen Tagen geht es los und es sieht so aus, als würde tatsächlich nichts mehr dazwischen kommen. Inshallah.

 

Möge noch ganz viel Schnee fallen in der Adventszeit. Weiße Weihnachten wären hochverdient in diesem Jahr. Auch wenn ich dann wirklich sehr, sehr neidisch nach Deutschland blicken würde. Liebe Familie, liebe Freunde im Süden und im Norden - Ich wäre gerne bei und mit euch, aber das Leben hat anders entschieden. Machen wir einfach alle das Beste draus. Macht es euch schön - Wir machen es auch!

 

Liebe Grüße,

die Gatzingerin