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Alltagsflucht

Drei Wochen Weihnachtsferien. Über der Urlaubsplanung schwebten bis zuletzt einige Unsicherheitsfaktoren, auf die wir keinen Einfluss hatten. Würde die Regelung der 14-tägigen Anwesenheitspflicht in Shanghai wieder gelten, bevor der Junior wieder zur Schule dürfte? Um auf Nummer Sicher zu gehen, haben wir im Oktober entschieden, nur die erste Ferienwoche weg zu sein, damit einer pünktlichen Rückkehr zur Schule nichts im Wege steht. Dann waren da im November noch vereinzelt aufploppende Coronafälle im Umfeld des Shanghaier Cargo-Flughafens, die alle etwas nervös gemacht haben. Aber seit Anfang Dezember kam durch strikte Quarantäne-Maßnahmen in den entsprechenden Wohngebieten kein neuer Fall dazu. Ansonsten hätten wir zum Reisen wahrscheinlich negative Corona-Testergebnisse benötigt oder im schlimmsten Fall wären Reisen für Personen aus Shanghai komplett untersagt gewesen. Doch wir hatten Glück und konnten am ersten Ferientag ans Meer und in die Wärme flüchten.

 

Drei nette Familien, 6 Große und 4 "Kleine", 5 Mädels und 5 Jungs. So waren wir unterwegs auf der Suche nach einer kleinen Auszeit, nach Ruhe. Nach abenteuerlichen Reisen und viel Unterwegs sein war uns nicht zu Mute. Außerdem ist der Winter nicht die attraktivste Reisezeit in China, wenn man es gerne warm hat. Schnee und Skifahren stand auch nicht auf unserer Wunschliste, denn dort wo es Schnee und Eis gibt, liegen die Temperaturen dann gerne bei -15 bis -25 °C und das ist mir entschieden zu kalt. Für solche Temperaturen haben wir auch keinerlei Klamotten mitgenommen.

 

So verbrachten wir eine herrlich faule Woche am Strand einer kleinen Bucht auf Hainan. Ein einziges Hotel weit und breit. Der sehr nette deutsche Chefkoch, hat uns mit leckerem Essen versorgt und mit den Kids gemeinsam Pizza gemacht. Ein glücklicher Junior, der von morgens bis abends mit seinem besten Freund unterwegs war. Beachvolleyball, Baden, Lesen, Nix-Tun. Keine Menschenmassen, gute Luft, ein Glas Wein am Abend und alle waren zufrieden. Eine herrlich unkomplizierte Truppe.

 

Außer uns waren hauptsächlich Chinesen in dem Hotel. Mal angereist für eine feudale Hochzeit mit 180 Personen und 6-Gänge-Menü, mal um die schöne Umgebung für unzählige Fotoshootings zu nutzen. Überall wird gepost und fotografiert. Vornehmlich junge, gestylte Frauen sitzen in Glasbooten, stehen wackelig auf dem SUP oder schauen professionell in die Ferne, immer in der Hoffnung auf das perfekte Bild für die sozialen Medien, die WeChat-Momente. Mal wirkt es auf mich belustigend, mal nervt es mich. Im schicken Badeanzug so tun als würde man gerade nach dem Schwimmen aus dem Pool steigen, aber das Wasser nur mit den Füßen berühren. Es wirkte auf mich so, als würden sie die schöne Natur dort, den Strand, das Meer nur als Kulisse für ihr Fotoshooting wahrnehmen anstatt sich wirklich über das herrlich Meer zu freuen, zu schwimmen, durch die Wellen zu springen. Posen auf dem Surfboard, am Strand, unter der Palme und dann schnell wieder weg auf den befestigten Boden. Es gibt natürlich auch Ausnahmen, aber die Regel sind sie nicht. Das ist ein Aspekt an China, der für mich immer befremdlich bleiben wird. Wahrscheinlich gibt es diese Sorte Mensch in Europa auch, aber dort sind sie mir bisher zumindest nicht sonderlich aufgefallen.

 

Was man auf all den Fotos natürlich nicht sieht, ist die Plastiktüte im Meer, der tote, schillernde Fisch zwischen den Muscheln, eine tote Meeresschildkröte, die eines Tages am Strand lag oder abgestorbene kleine Korallenteile. Besonders die großen und kleinen Plastikteile im Meer nehmen zu. Die habe ich früher nicht in so stark wahrgenommen. Fürchterliche Begleiterscheinungen der Zivilisation und Indikatoren, dass hier auf der Welt doch so einiges schief läuft - nicht nur Corona.

 

Aber das waren insgesamt eher Randerscheinungen. Wir haben die Tage und den Tapetenwechsel wirklich sehr genossen und sind mit gut aufgeladenen Akkus zurück nach Shanghai geflogen. Wir wurden von kaltem, aber sonnigem Wetter und mittelplächtiger Luft begrüßt und nun beginnt der Countdown für die Weihnachtstage. Der Junior freut sich schon und ist ein wenig hibbelig. So soll es sein.

 

Und wer sich jetzt fragt: Familie Gatzinger und Hotelurlaub? Das wird bestimmt kein Dauerphänomen. Wir drei freuen uns jetzt schon wie Bolle auf den nächsten Bulli und die erste Fähre nach Sardinien oder Norwegen oder auch einfach nur in die Alpen.

 

Liebe Grüße und macht es euch schön.

die Gatzingerin