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Frozen Shanghai

Mein liebster Platz ist momentan auf der kleinen Bank direkt neben der Heizung mit einer Tasse Tee in der Hand. Mein Rücken lehnt sich genüsslich an die Heizung und neben mir blubbert mein Sauerteig-Starter eifrig vor sich hin. Das www sagt, dass meine junge Sauerteigkultur sich bei Temperaturen zwischen 24 und 30°C wohl fühlt und die werden momentan definitiv nur in unmittelbarer Nähe zum Heizkörper erreicht.

 

Die erste Kaltfront hat uns kurz vor Sylvester erreicht. Mit starkem, eiskaltem Wind und 27 einzelnen Schneeflocken kam sie aus dem hohen Norden Chinas bis zu uns nach Shanghai. Frost bis minus 5 Grad. Aber mit dem stets blauen Himmel war es tagsüber eigentlich ganz gut auszuhalten. Mittlerweile befinden wir uns nach einigen wärmeren Tagen bereits in der zweiten Kälteperiode. Wieder wehte für 2 Tage ein eisiger Nordwind und brachte Wolken und Minusgrade mit. Im Garten hängen die Bananenblätter braun herunter, Spinat und anderes Grünzeug scheinen gefroren, aber noch nicht erfroren; da habe ich noch Hoffnung.

 

Die Häuser in der Region sind definitiv nicht für solche Temperaturen geeignet. Als sich die erste Kaltfront näherte, wollten wir die Wasserhähne draußen im Garten abdrehen, aber das geht gar nicht. Kein Absperrhahn vorhanden. Nun sind die Hähne vom Compound-Management mehr schlecht als recht warm eingepackt und es wird sich demnächst zeigen, ob etwas kaputt gegangen ist. Bei unseren Nachbarn war zu Beginn die Hauptwasserleitung eingefroren, aber mit Hilfe eines Föhns wurde das Eis sehr schnell wieder flüssig. Anschließend wurde Isoliermaterial drum herum gewickelt und bis jetzt läuft's. Andere Familien im Nachbarcompound hatten mehrere Tage kein Wasser. Unsere Heizung bullert Tag und Nacht ohne Pause vor sich hin und hält das Haus einigermaßen warm. Aber wenn ich so wie jetzt länger am Computer sitze, dann wird mir schnell kalt und mich verlangt es nach heißem Tee und dem Platz direkt an der Heizung. Gott sei Dank soll der Kälte-Spuk nach einer Woche vorbei sein und dann könnte von mir aus auch bald der Frühling kommen.

 

Bei vielen Chinesen sieht das zuhause aber ganz anders aus. Hier in Südchina haben viele Häuser keine ordentliche Heizung. Sollte es mal kalt werden, wird mit der Klimaanlage geheizt und vielleicht noch zusätzlich ein elektrischer Heizofen in den Wohnraum gestellt; In vielen Dörfern wird wahrscheinlich noch mit Feuer im Haus geheizt. Die Menschen haben auch in ihren Wohnungen Winterjacken und Thermohosen an. Da kann ich mich also nicht wirklich beschweren, auch wenn unsere Heizungsanlage im Prinzip viel zu klein ist für dieses Haus mit seinen großen, offenen Wohnräumen. Macht nix - die Woche geht schnell vorbei und sobald es draußen wieder 5 Grad und mehr ist, wird es bei uns daheim auch wieder angenehm warm. Und bis dahin gilt: Kein Tag ohne meinen Wollpulli und die Strickjacke.

 

Dem Hund machen die aktuellen Temperaturen rein gar nichts aus. Er freut sich nach wie vor, wenn es nach draußen in den Garten geht oder wir unsere Runden im Compound drehen. Allerdings darf er gerade nicht so ausgiebig schnuppern und schnüffeln wie sonst. Das wird mir zu kalt. Ich bin gerade mit noch schnelleren Schritten unterwegs als bisher eh schon. Dabei fällt der Blick immer wieder auf die größeren und kleineren Kanäle in der Umgebung. Mittlerweile fangen selbst die etwas breiteren Kanäle an zuzufrieren. Das wäre noch der Hit: Wenn es länger richtig kalt wäre, könnte man hier ewig lange Runden auf Schlittschuhen laufen; der Junior könnte sogar den Weg zur Schule über's Eis nehmen, womit sein Schulweg wahrscheinlich nur noch 1/4 der jetzigen Strecke betragen würde. Aber viel lieber hätte ich es ziemlich bald wieder mindestens 10°C wärmer. Das macht das Leben hier einfach angenehmer und leichter.

 

So, genug im Text. Meine Finger wollen eine wärmende Teetasse halten. Von mir aus kann es schnell wieder wärmer werden, draußen und drinnen! Allein auf ein paar Tage Schnee würde ich mich noch freudig einlassen, aber danach sieht es derzeit nicht aus. Liebe Grüße aus dem kurzen Winter,

die frostige Gatzingerin