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Moganshan 莫干山

Für uns Westler war Ostern. Für die Chinesen war Qingming, was man vielleicht mit unserem Totensonntag vergleichen kann. Zusammen hat es ein langes Wochenende ergeben, was wir unbedingt im Grünen verbringen wollten. Momentan ist es möglich innerhalb Chinas unkompliziert und ohne Coronatest zu reisen. Daher wollten wir Shanghai endlich einmal wieder gemeinsam verlassen. Das erste Mal in diesem Jahr.

 

Wir sind nach Moganshan gefahren. Da diese hügelige und grüne Landschaft nur gut 2 Stunden mit dem Auto von Shangahi entfernt liegt und wir noch nie dort gewesen sind, wollten wir diese 4 freien Tage für einen Kurztrip nutzen. Bereits Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts zog es wegen der angenehmen Sommertemperaturen viele westliche Besucher aus Shanghai nach Moganshan. Noch heute sind viele europäisch anmutende Villen der damaligen Sommerfrischler oben in den Bergen erhalten.

 

Die alten Villen waren uns allerdings ziemlich schnuppe. Uns lockte das frische Grün und der Blick in die Weite. Es hat so gut getan, einfach loszulaufen durch Dörfer, Bambushaine und Wälder, entlang vieler Teeplantagen, die sich an den Hängen entlang ziehen. Kein Eintritt, kein QR-Code, kein Massentourismus. Der Gatzinger hatte sein Rennrad dabei und ist jeden Morgen durch die Gegend gesaust. Er hat es so genossen endlich wieder bergauf und besonders bergab zu radeln, anstatt durch den Vorstadtjungle daheim. Der Junior war einen Tag mit seinem Freund und dessen kleinen Bruder klettern und anschließend haben sie zu dritt gegen 9 Chinesen Fussball gespielt und 10:7 gewonnen. Während der Junior unterwegs war und der Gatzinger auf dem Rad saß, habe ich getan, was ich so gerne mache: einfach herumlaufen ohne festes Ziel, mal sehen was der Weg bringt, mal sehen wo ich lande und keine Ahnnug wie lange es dauert. Gelandet bin ich letztendlich ganz oben auf dem Berg und am Nachmittag waren meine Beine schlapp und müde und ich kaputt, aber sehr zufrieden und glücklich. Ich bin durch kleine Dörfer, durch Bambuswälder und Teeplantagen, über Straßen, Wege und kleine Pfade gelaufen. Habe viel zu viele Fotos von all den wunderbaren Blütenpflanzen und Bambus-Sprösslingen gemacht und den Teepflückerinnen bei der Arbeit zugeschaut, während ihr fröhliches Geschnatter über den ganzen Hang zu hören war.

 

Sogar der Osterhase hat den Weg nach Moganshan gefunden, was den großen, kleinen Mann sehr gefreut hat und aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man zum Ostereiersuchen nie zu groß sein kann. Ostersonntag sind wir noch einmal gemeinsam den Berg hoch gewandert und da der Weg lange an einem herrlich plätschernden Bach entlang führte, hatten die Kids mächtig Spaß. Ansonsten lagen wir die Tage, mal bei Sonnenschein und mal mit tiefhängenden Wolken, faul im beheizten Pool, haben auf der Terrasse gegrillt, gelesen, gekniffelt und die Aussicht genossen.

Der Tee hier in der Gegend wird meist als Grüntee gehandelt. Jetzt im Frühling wird der sogenannte First Flush geerntet, der feinste Tee des Jahres. Geerntet wird schonend von Hand. Meist wird die Arbeit von Frauen gemacht, die mit ihren kleinen Körben durch die Tee-Terrassen gehen und stets nur die oberste Blattknospe mit den beiden jungen Seitenblätter abpflücken. Eine Wahnsinns-Arbeit. Kein Wunder dass Tee so teuer ist und in China noch viel teurer als in Deutschland, wenn er von guter Qualität ist. Die Wertschätzung hier ist einfach eine andere.

Besonders faszinierend sind zu dieser Jahreszeit auch die überall aus dem Boden sprießenden Bambustriebe. Sie sind mitunter ziemlich groß und haben einen Umfang von bis zu 30cm. Die äußere Hülle ist kuschelig weich und doch hat der Bambustrieb eine wirklich unglaubliche Kraft. Viele ältere Dorfbewohner waren in diesen Tagen unterwegs und haben die jungen Bambustriebe geerntet gewaschen, klein geschnitten und oftmals in der Sonne getrocknet. Genau das sind dann die Bambussprossen, die wir als Asia-Gemüse kennen und schätzen.

Ich bin immer wieder erstaunt, dass ein langes Wochenende reicht, um abzuschalten und den Alltag zu vergessen. Wir sind mit voll geladenen Akkus zurück nach Shanghai gefahren und bereit für die kommenden 3 Wochen Alltag. Danach sind schon wieder Maiferien und wenn alles gut geht, dürfen wir dann schon wieder das Dorfleben genießen; nicht in Moganshan, aber bestimmt auch sehr schön und neu und anders. Ich freu mich drauf, denn so sehr ich diese Jahre in Shanghai auch genieße, bin und bleibe ich einfach ein Dorfkind.

 

Aus Norddeutschland erreichten mich gestern Bilder von verschneiten Wiesen oder einem Spaziergang im Schneetreiben. Oje, an solche Ostern in Bayern kann ich mich auch noch gut erinnern. Ich drücke die Daumen, dass der wohlverdiente Frühling schnellstens zurück kommt.

 

Herzliche Grüße,

die Gatzingerin