Ich habe bereits im Dezember orakelt, dass Omikron China noch einmal gehörig um die Ohren fliegen wird und dass ich inständig hoffe, dass dies erst im Sommer, nach unserer Abreise stattfinden möge. Aber da hab ich mich leider gewaltig verkalkuliert oder vielleicht eher ver-hofft.
Und da wären wir jetzt also wieder. In einem Lockdown, der offiziell nicht Lockdown sondern Grid Screening genannt werden möchte. Letzte Woche Donnerstag kam die sich bereits ankündigende Ankündigung, dass ab 17 Uhr die Tore unseres Compounds für mindestens 48h geschlossen bleiben würden. Dieses sei eine reine Vorsichtsmaßnahme und man wolle alle Bewohner 2x einem PCR-Test unterziehen. In vielen Bezirken Shanghais werden die Menschen jetzt nach und nach komplett durchgetestet, da die Infektionsketten in der Stadt mittlerweile nicht mehr nachvollziehbar seien. Omikron scheint außer Rand und Band. Wie überall.
So wurden also am Donnerstag noch rasch die letzten verbliebenen Schulsachen aus den Klassenzimmern an die Kinder verteilt, die Vorräte aufgestockt und dann saßen wir um kurz vor 17 Uhr mit einem sehr seltsamen Gefühl im Bauch daheim, wohlwissend, dass sich die Tore gleich schließen und vorerst nicht mehr öffnen würden. Kein schönes Gefühl. Immerhin duften wir unsere Häuser verlassen und im Compound spazieren gehen.
Am Abend dann der erste Test für alle. Immer 20 Leute wurden per Pooltest zusammen gefasst, um die Testkapazitäten der Stadt nicht vollends zu überfordern. Das gleiche Spiel am Freitag noch einmal. Wir fühlten uns ein wenig an einen Wahlsonntag in Deutschland erinnert. Da geht man auch als Familie gemeinsam hin, jeder hat seinen Pass dabei, wartet brav in einer kurzen Schlange und dann bitte einzeln antreten und Abstand halten beim Ausfüllen des Wahlzettels ...äh, oder in unserem Fall bei der Stäbchenprobe im Rachen. Aber alles war super organisiert und lief bei aller Spontanität der Maßnahmen sehr geregelt ab. Informiert und unterstütz werden wir wie immer gut vom Vorsitzenden der Eigentümergemeinschaft unseres Compounds, der in Österreich aufgewachsen ist und uns deutschen Expats stets zur Seite steht.
Wir wurden nach Test No.2 mit der Hoffnung nach Hause geschickt, dass sich nach 2 negativen Tests für den gesamten Compound, am Sonntag die Tore wahrscheinlich wieder öffnen werden. Am Sonntag kam allerdings stattdessen die Nachricht, dass trotz negativer Testergebnisse alle eingesperrt bleiben und 2 weitere Tests gemacht werden müssen. Dazu regnete es seit Samstag Abend durchgehend Bindfäden, war kalt und dunkel und die Stimmung bei allen damit auf dem Tiefpunkt angelangt. Diese willkürlichen Entscheidungen, die von außen über uns bestimmen, hinterlassen kein gutes Gefühl. Der 3. Test war für Sonntag Abend angesetzt, aber aufgrund des starken Regens und einer möglichen Gewitter-Gefahr auf Montag Vormittag verschoben. Nicht dass der Wetterbericht für Montag Besserung versprach, aber gut. Zu allem Überfluss wollte der Gatzinger am Abend noch unser w-lan im Haus optimieren, was allerdings leider dazu führte, dass irgendwann gar nichts mehr ging. Die Aussicht auf Homeschooling und Homeoffice via Teams ohne Internet im Haus setzte dem vertrackten Tag dann noch die Krone auf. Hilfe von Außen war durch den Lockdown auch nicht zu erwarten. Happy Sunday!
So wurden am Montag die Rechner mit 2 Handys als Hotspot verbunden, was allerdings besser lief als erwartet und so konnte sowohl Arbeit als auch Schule weitergehen. Es regnete tatsächlich immer noch, aber wir durften nichtsdestotrotz zum Testen antreten. In der großen Pause also schnell zum Compound Management geflitzt, einmal den Rachen ausputzen lassen und dann noch ein schnelles Frühstück, bevor der Unterricht weitergeht. Dienstag das gleiche Spiel. Die einzige Veränderung war, dass der Regen endlich aufgehört hatte und das Datenvolumen der Handys mittlerweile an seine Grenze stieß.
Mittwoch um 8 Uhr haben sich dann tatsächlich die Compoundtore für alle Compounds bei uns im Viertel wieder geöffnet. Es ist schon ein sehr befreiendes Gefühl, einfach nur zu wissen, ich kann jetzt raus, auch wenn man eigentlich nirgends hin muss. Allein die Möglichkeit tut gut. Die Menschen, denen man begegnet, sind alle mindestens 4 x durchgetestet und damit ist es sicherer denn je, sich draußen zu bewegen. Eine Freundin, die etwas weiter weg wohnt, ist noch für mindestens eine weitere Woche weggesperrt. Ich habe also erstmal ein Carepaket gepackt und bin mit dem Roller über ziemlich leere Straßen zu ihr gerollert. Ein Plausch durch den Zaun mit 5m Abstand war sogar auch möglich. Dazu herrlicher Sonnenschein. Der kleine Ausflug tat einfach nur gut. Freiheit.
Durch die unzähligen Tests in der ganzen Stadt wurden tatsächlich massenhaft symptomfreie Fälle entdeckt und mitsamt ihren Kontaktpersonen in Quarantäne gesteckt. Damit all diese Personen Platz in den Quarantänehotels finden können, mussten alle internationalen Flüge von Shanghai in andere Städte umgeleitet werden. Momentan sind wir oft bei knapp 1000 neuen Fällen pro Tag (bei ca. 26 Mio. Einwohnern), wobei ein Großteil davon mittlerweile Personen sind, die sich eh schon in Quarantäne befinden. Aus europäischer Sicht erscheinen die Zahlen lächerlich niedrig, in China gleichen sie einer Katastrophe.
Wie lange unsere wiedergewonnene Freiheit andauern wird, kann momentan niemand so genau sagen. Es ist wohl gerade ein Oberchef der obersten bliblablu-Behörde aus Peking in der Stadt, um die Planung und Duchführung aller Maßnahmen im ansonsten eher entspannten Shanghai zu überwachen. Da könnten jetzt also noch mal strengere Maßnahmen folgen, wenn die Damen und Herren Pandemie-Bekämpfer das freche Omikron-Virus nicht zügig eingefangen bekommen. Uns wurde zumindest geraten, weiterhin ausreichend Vorräte im Haus zu haben, denn keiner weiß, was noch so kommt. Das sind also alles nur so mittelprächtige Aussichten und niemand glaubt, dass der ganze Mist schon überstanden ist.
Ich würde also mal sagen: Urlaub adé... Homeschooling bis mindestens Ende April... und Unsicherheit bis zum Tag unserer Ausreise. Das ist ganz gewiss keine Glanz-Prognose, aber wir werden das auch noch überstehen und danach das hohe Gut der Freiheit in Deutschland umso mehr zu schätzen wissen. Nehmen wir diese Zeit einfach als kleine Lektion in Demokratieverständnis mit dem Erkenntnisgewinn, wie gut wir es in Deutschland doch haben. Vielleicht könnten die depperten, unzufriedenen und lauten Querdenker auch mal darüber nachdenken, für 2 Jahre in China zu leben. Danach würden sie aller Voraussicht nach verstummen und niemandem mehr auf den Senkel gehen.
So sieht es aus. Nicht wirklich rosig, aber auch nicht schrecklich.
Ich werde also gleich das gute Wetter für einen Spaziergang nutzen und ein Auge auf unsere Vorräte werfen.
Seid herzlich gegrüßt!
die Gatzingerin ....und der Hamster