Seit wir in Shanghai sind, haben wir im Grunde 3 wesentliche Einkaufsstätten, um unser West-Essen zusammen zu bekommen. Das meiste an Obst, Gemüse und Nüssen bekommen wir über eine Abokiste ins Haus geliefert und die Sachen sind sogar oft bio und schmecken gut. Dann gibt es noch einen guten Online-Supermarkt, wo wir alle 2 Wochen vielleicht mal was ordern. Unseren Haupteinkauf erledigen wir allerdings in einem kleinen Laden in unserer Strasse, der von einer engagierten Chinesin und ihrem tollen Team geführt wird. Seit wir hier sind, wurde das Sortiment dort zunehmend erweitert, wobei sie auch immer wieder versucht, unsere Wünsche zu erfüllen. Wir fragten nach jungem Ziegengouda und eine Woche später war junger Ziegengouda im Sortiment. So vergeht fast kein Tag, wo nicht wenigstens einer von uns noch kurz "zu Lara" fährt, um ein bisi Kleinkram oder auch mal etwas mehr einzukaufen. Aber da der Laden 7 Tage die Woche von 8 bis 8 offen ist, bestand im Grunde keine Notwendigkeit zur gezielten Vorratshaltung. Bis jetzt!
Seit Anfang März ist Omikron ist der Stadt unterwegs und irgendwie ist alles anders. Seit der Ankündigung des ersten Lockdowns "light" im März sind auch hier die Hamster unterwegs und kaufen ein, was das Zeug hält. Der kleine Laden ist immer voll mit Kunden und die Regale, besonders das Obst- und Gemüseeck, waren teilweise ganz schön ausgeräubert. Das Team hat fast ohne Pause gearbeitet, Ware nachbestellt und sein Bestes gegeben, um uns alle gut durch den Lockdown zu bringen und für unseren Teil kann ich sagen, dass es gut geklappt hat und nach 3 Tagen sogar wieder möglich war, per Wechat zu bestellen und von Lara bis ans Compound-Tor beliefert zu werden. So waren die 6 Tage, in denen wir unseren Compound nicht verlassen durften kein Problem.
Da der erste mini-Lockdown Omikron aber nicht wirklich beeindrucken konnte, wurde eine weitere Runde Lockdown angekündigt. "The real Lockdown!" Dieser zweite Lockdown war für 5 Tage angekündigt, aber natürlich glaubte niemand dieser Prognose. Der Run auf den kleinen Laden war in den Tagen vor Toresschluss der reinste Wahnsinn. Es waren locker 10 mal so viele Kunden da wie sonst und die Summen auf den Einkaufsbons waren um einiges höher als normalerweise. Keiner vom Team hatte Zeit Regale einzuräumen, die Kisten wurden nur noch im Gang einigermaßen sinnvoll zugeordnet und wir Kunden haben uns direkt aus den Kartons bedient. Es war schon erstaunlich genug, dass Lara es überhaupt geschafft hat, immer wieder für Nachschub zu sorgen. Online war Mehl schon längst ausverkauft als der kleine Laden irgendwie immer wieder neue Kartons verschiedener Sorten Mehl auf den Markt geschmissen hat. Und die Kunden haben dankbar zugegriffen - ich auch! Das Engagement des gesamten Teams war der Hammer, keiner hat nach seiner Pause geschrien, alle haben zügig, aber in Ruhe Kunde um Kunde bedient und damit für eine gute Stimmung im Laden gesorgt. Natürlich gab es auch hier und da Kunden, die unzufrieden waren wegen der langen Wartezeiten an der Kasse oder weil Hefe und Pizza leider ausverkauft waren, aber insgesamt waren alle dankbar für den großartigen Einsatz!
Mittlerweile haben wir eine Woche Lockdown hinter uns. Natürlich ist es nicht bei den angekündigten 5 Tagen geblieben. Omikron gibt weiter keine Ruhe und ich höre von immer mehr Freunden und Bekannten in der Stadt, dass sie Schwierigkeiten haben, an ausreichend Lebensmittel zu kommen. Alle Apps und Mini-Programme sind heillos überlastet, selbst wenn man sich den Wecker mitten in der Nacht für einen Online-EInkauf stellt. Manchmal klappt es, oft aber leider nicht. Viele Onlineshops dürfen allerdings auch nicht arbeiten, weil ihnen keine Ausnahmegenehmigung für den Lockdown erteilt wurde, ebenso stehen viel weniger Auslieferer mit ihren Rollern zur Verfügung, da auch hier mit Lizenzen gegeizt wurde. Alles natürlich zum Wohle der Gemeinschaft im Kampf gegen das wild gewordene Virus - versteht sich ja von selbst.
Uns hier draußen geht es allerdings gut. Es geht uns Dank des kleinen Ladens weiterhin gut. Die junge Chefin verbringt nämlich den Lockdown nicht gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter daheim in ihrer Wohnung sondern alleine in ihrem Laden. Von dort aus versucht sie wieder etwas Ordnung in das Chaos zu bringen, neue Ware an Land zu ziehen und trotz der schwierigen Situation Bestellungen an ihre Kunden in der nahen Umgebung auszuliefern. Sie selbst darf nicht fahren. Auch Lara hat fehlt die "Lizenz zum Liefern". Nach 2 Tagen hatte sie ein paar wenige Rollerfahrer gefunden, denen es erlaubt ist, die Bestellungen an die Compoundtore zu fahren. Einem ist jetzt leider der Roller kaputt gegangen und niemand kann ihn reparieren, denn Lizenzen zur "Reparatur defekter Lieferanten-Roller" wurden natürlich nicht erteilt. Aber wunderbarerweise haben bereits 2 Lieferungen mit Lebensmitteln ihren Weg zu uns an die Haustür gefunden, die von uns freudestrahlend in Empfang genommen wurden. Und wenn man dann noch einen Gummibären-Mix in der einen Tasche findet, mit dem Hinweis "for Alex & Felix", dann weiß man ganz genau, dass man alles richtig gemacht hat, die letzten 2 1/2 Jahre in genau diesem Laden eingekauft zu haben. Dann ist es auch egal, dass die Sachen dort natürlich teurer sind als in den Riesen-Läden, denn der Riesen-Supermarkt reißt sich in diesen herausfordernden Zeiten nicht den Arsch auf, damit wir an unsere dringend benötigten Lebensmittel kommen. Ich ziehe wirklich meinen Hut vor so viel Engagement für uns Kunden und wenn ich irgendwann wieder in persona bei Lara im Laden stehen darf, werde ich mit noch mehr Freude unser Geld in ihre Kasse fließen lassen.
So, das war meine Hymne auf die kleinen Läden, die unsere Welt um ein Vielfaches schöner machen und ich freu mich schon heute bald wieder Teil eines solchen tollen Ladens sein zu dürfen. Ein Hoch auif die Laras dieser Welt. Ein Hoch auf den kleinen Laden am Ammersee mit dem gemütlichen roten Sofa am Fenster. Bis ganz bald!
Heute sind es noch 99 Tage bis zum Abflug.
Jetzt bewegen wir uns im zweistelligen Bereich und das ist mir gerade eine innere Blumenwiese!
die Gatzingerin