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Shanghai erwacht

Vater Staat hat beschlossen, dass der Omikron-Überfall auf Shanghai am 1.Juli vorbei ist und dann hat das auch so zu sein. Zweifel sind nicht angebracht, bei vielen auch nicht vorhanden und so wurde also am 1.6. der Schalter umgelegt auf "alles wieder safe!". Ich hatte da ja doch so meine Zweifel (die West'ler wieder...), und kenne auch sehr viele andere, die es nur sehr vorsichtig haben angehen lassen. Mein Vertrauen war definitiv erschüttert und so hatte ich nicht das Gefühl, dass die Situation von jetzt auf gleich wieder stabil sein konnte. Wie sich herausstellte, war sie auch noch nicht stabil. Immer wieder tauchten neue Fälle auf, bei Menschen, die sich nicht in Quarantäne befanden. Es wurden also weiterhin Zäune aufgebaut, Wohngebiete abgeriegelt, Menschen in Quarantäne-Einrichtungen gebracht und Läden wieder geschlossen. Ich selbst hab mich die erste Zeit nicht aus meiner Blase heraus bewegt. Ich war einkaufen, hab meine liebsten Freundinnen getroffen, der Junior konnte am Nachmittag oder Wochenende mit seinen Jungs spielen und der Gatzinger tatsächlich wieder ins Büro fahren. Aber in die Stadt hab ich mich zu Beginn noch nicht getraut, einfach aus Angst zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein und einkassiert zu werden.

 

Alle Menschen in Shanghai müssen  mindestens jeden Samstag einen PCR Test im Compound machen. Wer Metro oder Bus fahren will, in den Supermarkt geht oder auch nur Freunde in einem anderen Compound besuchen möchte, braucht einen PCR Test, der maximal 72h alt ist. So machen wir in der Regel 3 Tests pro Woche, um immer einen grünen Passierschein auf dem Handy angezeigt zu bekommen, wenn ich mich per QR-Code Scan irgendwo anmelde. Ansonsten wird der Zutritt verweigert.

 

Restaurants hatten teilweise offen, aber es war nur Take-away möglich - offiziell. So saßen also oft die Menschen mit ihrem Essen in Plastikboxen auf den Plätzen und Gehwegen vor den Restaurants und haben dort gegessen. Nicht selten tauchte dann die Polizei auf, wenn zu viele Menschen auf einem Fleck saßen oder standen und versuchte die Menge zu verstreuen. Menschenansammlungen waren nicht gern gesehen die letzten Wochen. Es soll wohl das ein oder andere Restaurant geben, welches die Regeln sehr weit gedehnt hat, aber entspanntes Essen gehen sieht definitiv anders aus. Nun wurde aber gerade verkündet, dass ab sofort alle Restaurants ganz regulär und mit Gästen im Innenbereich öffnen dürfen.

 

Und jetzt, nach 4 Post-Lockdown-Wochen, scheint sich die Situation zu stabilisieren und auch wir trauen uns langsam wieder aus unserem Schneckehaus hervor. Alles im Rahmen und ohne viel Halligalli, aber es ist schön, dass ein paar Verabschiedungen und gemeinsame Treffen mit Freunden, der Klasse und Kollegen noch möglich sind. Einen Abend hatte ich spontan komplett Familien-frei und bin ganz alleine an den Bund gefahren. Es war wunderschön, schwül-warm mit einer angenehmen Brise und es war wirklich voll am Bund. Aber mir hat das einfach so gut getan, die Stadt zu erleben, die Skyline zu bewundern und mich 2 Stunden nur treiben zu lassen.

 

So viel Nerven mich diese Stadt gekostet hat die letzten 4 Monate, so sehr werde ich sie auch vermissen. Shanghai ist und bleibt besonders! Eine besondere Freude nach den 2 Monaten kompletten Lockdowns ist es für mich, dass ich den Zauber der Stadt noch ein bisschen genießen und aufsauegen kann. Es ist nicht wie zuvor, die Stadt hat noch einige offene Wunden, aber wir haben die Möglichkeit uns von Lieblingsorten zu verabschieden. Es tut gut, die 3 Jahre hier in Shanghai mit schönen Erlebnissen zu beenden. Alles andere wäre der Stadt nicht wirklich gerecht geworden.

 

Herzliche und schon leicht wehmütige Grüße,

die Gatzingerin