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Unser 35. Monat

Der Juni begann mit einem kleinen Wunder: Der allgemeine Lockdown in Shanghai wurde tatsächlich aufgehoben. Seitdem werden lediglich lokal begrenzte Lockdowns in Wohnvierteln, Malls oder einzelnen Straßenzügen verhängt. Es wurden jedoch immer wieder in vielen Ecken von Shanghai kleinere Corona-Ausbrüche gefunden und so habe ich mich in der ersten Monatshälfte noch sehr zurückgehalten, was Treffen mit vielen Menschen oder Ausflügen in die Stadt anging, um so kurz vor Schluss nicht doch noch weggesperrt zu werden.

 

Für Mitte Mai war uns ein Termin für das Packen unserer Sachen für den Container gegeben worden. Leider hab ich mir ein paar Tage vorher einen fiesen Hexenschuss zugezogen und der Gatzinger hat sich nur einen Tag später bei einem Radlsturz das Schlüsselbein gebrochen. Super Timing! So waren die Vorbereitungen für das Packen für uns eine ordentliche Herausforderung, die wir aber mit Hilfe unseres Teenies und unserer Ayi trotzdem gemeistert haben. Es wurde alles gut verpackt und abtransportiert und Ende des Monats haben wir bereits die Nachricht bekommen, dass unsere Kisten sich schon per Containerschiff auf dem Weg nach Bremerhaven befinden. Das ging zu unserem Erstaunen um einiges schneller als gedacht. Der Containerstau im Hafen von Shanghai scheint innerhalb eines Monats in zahllosen Nacht- und Wochenendschichten abgearbeitet worden zu sein.

 

Besonders für den Junior war der Juni noch einmal ein toller Monat mit vielen Übernachtungen und Treffen mit Freunden. Es konnten gemeinsame Projekte für die Schule offline erarbeitet werden, die sie dann online präsentiert haben. Es wurde gemeinsam gekickt, gezockt und gelacht und hat den Kids nach der langen Durststrecke im Lockdown sichtlich gut getan. Bei einigen der Jungs habe ich sichtlich gestaunt, wie verändert sie nach 3 Monaten teilweise aussehen. Die Hormone verwandeln die ehemals kleinen Buben zunehmend in echte Kerle, die nicht mehr wirklich kleiner sind als wir Erwachsenen, deren Stimmen plötzlich etwas anders klingen und die bereits fast alles kindliche hinter sich gelassen haben. Lauter echte Teenies.

 

In der letzten Juni-Woche habe ich mich dann auch langsam wieder aus meiner kleinen Vorstadt-Blase herausgewagt und bin eines Abends spontan und ganz alleine an den Bund gefahren. Ach, was hat das gut getan. Ich bin dort einfach nur 2 Stunden herumspaziert, habe die Skyline von Pudong bewundert, fotografiert und die Szenerie ganz in Ruhe genossen. Alles noch da! Alles wie immer! Nur das Gefühl im Inneren ist irgendwie ein anderes. Vielleicht wegen des Lockdowns und sicher auch wegen des bevorstehenden Abschieds. Und ich bin froh, dass wir nicht völlig entnervt noch während des Lockdowns ausgereist sind und nun noch die Möglichkeit haben uns von Freunden, Plätzen und Lieblingsorten zu verabschieden. Allerdings wäre ich jetzt sicherlich noch viel mehr in der Stadt unterwegs, wenn nicht diese Mega-Hitze und schwüle Luft mich davon abhalten würde. Aber bei 28 Grad am Morgen und 36 Grad am Nachmittag laufe ich einfach nicht so gerne in der Gegend herum.

 

Zu meinen absoluten Lieblingsorten in der Stadt gehört auch der kleine Teeladen in der Tianshan Tea City, wo meine Vermieterin mich gleich zu Beginn unserer Shanghai-Zeit hingeführt hat. So hab ich mich natürlich noch ein letztes Mal auf den Weg zu meiner süßen Tee-Lady gemacht. Noch einmal viel zu viel Tee trinken, durch den Laden streifen und nach ein paar letzten Souvenirs suchen, dazu noch einmal all meine Lieblingstees mitnehmen. Es war ein schöner, letzter Besuch. Genauso wie ein letzter Besuch in der Nudelbude mit meiner lieben Chinesisch Lehrerin. Wenn ich 3 Sachen mit an den Ammersee beamen könnte, wäre das ganz sicher der kleine, chinesische Teeladen, dazu die leicht abgeranzte, muslimische Nudelbude und vielleicht noch ein paar alte Gassen aus der Französischen Konzession.

 

Ansonsten war der Juni gefüllt mit einem Grillabend bei Freunden, einer Abschiedsrunde für den Gatzinger mit seinen Kollegen und vielen kleinen Abschieds-Treffen zum Kaffee hier und da. Die ersten Freunde und Nachbarn haben sich bereits Ende des Monats auf den Weg nach Deutschland gemacht und so wird auch meine Vorfreude auf die Rückkehr in die Heimat zunehmend größer. Aber ein paar "ein-letztes-Mal"-Termine warten im Juli noch auf uns bevor dann auch wir in den Flieger nach Deutschland steigen werden.

 

1/2 Monat bleibt uns noch!

 

Liebe Grüße aus den sommerfeuchten Subtropen,

die Gatzingerin